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Allegonda van de Merwe Allegonda van de Merwe: Die Kino-Retterin

Von Diana Serbe 13.03.2017, 12:42
Die Niederländerin Allegonda van de Merwe führt seit 2010 Bernburgs „Capitol“.
Die Niederländerin Allegonda van de Merwe führt seit 2010 Bernburgs „Capitol“. dpa-Zentralbild

Bernburg/Biendorf - Erst vor wenigen Tagen ist Allegonda van de Merwe mit dem Ehrenamtspreis „Salzlandfrau“ für ihr Engagement im Bereich Kultur ausgezeichnet worden. Doch Stillstand kennt die quirlige Niederländerin nicht.

Seit 2005 ist Familie van de Merwe Eigentümer des Schlosses Biendorf. Nach einem Brand 1927 wurde es neu errichtet und bis 2004 als Fachschule für Hauswirtschaft genutzt. Nun stellen Allegonda, von ihren Bekannten nur liebevoll „Gonnie“ genannt, und ihr Mann Erik dort Kurioses aus aller Welt aus.

Die größte Fingerhutsammlung der Welt

Das Museum im Schloss des Dorfes beherbergt derzeit rund 150 verschiedene Sammlungen in einer Dauerausstellung. Dazu zählen fast 300.000 Ausstellungsstücke.

Auf einer Fläche von rund 600 Quadratmetern, also mehr als fünf Fußballfeldern, zeigen die van de Merwes unter anderem die wohl größte Fingerhutsammlung der Welt. „Etwa 77.000 Stück müssten es jetzt sein“, sagt Gonnie van de Merwe.

Die Schlossherrin bietet auf dem Anwesen selbstgeführte Besichtigungen. Das mache sie mit viel Liebe und Herzblut.

„Ich überlege mir immer eine schöne Anekdote für die Besucher“, sagt die 63-Jährige. Tochter Heleen tauschte auf dem spätbarocken Schloss schon mit ihrem Mann Marco das Eheversprechen aus.

Keine Pause und immer neu Projekte

Der Unternehmerin fallen immer wieder neue Projekte ins Auge. Als sie vor einigen Jahren mit den Umbauten etwas zur Ruhe gekommen war, sei sie mit ihrer Tochter ins Bernburger Kino „Capitol“ an der Auguststraße gegangen.

„Im Schaufenster habe ich dann gesehen, dass das Kino zu verkaufen ist“, sagt die 63-Jährige. Dieses kleine „Kunstwerk“ wollte sie erhalten. Sie habe ihrem immobilienbegeisterten Ehemann davon erzählt, der sofort von der Idee begeistert gewesen sei.

Das Kino ist das letzte seiner Art in Deutschland. Im Stil der Kunstrichtung Art déco - die französische Übersetzung für „dekorative Kunst“ - gibt es kein anderes erhaltenes Kino in Deutschland. „Wir führen das ,Capitol’ nun im sechsten Jahr und ich habe so viel dazu gelernt“, sagt die Niederländerin.

Mitarbeiter der Vorgängerin übernommen

Die Mitarbeiter hat sie von ihrer Vorgängerin übernommen. Um nur einige zu nennen: Auf ihren Stellvertreter Maik Erdmann könne sie sich immer verlassen - besonders, wenn es um die Finanzen ginge.

Normen Strohmeyer sei wichtig für das Kreative, er gehe auch mit den Akteuren ins Gespräch. Und wie geht es mit dem „Capitol“ weiter? „Es gibt immer Sachen zu verbessern“, sagt Gonnie van de Merwe. „Wir wollen das Foyer sanieren und auch die Küche. Wir servieren hier auch kleine Speisen.“

Momentan stehen aber erst einmal die Vorbereitungen für den 90. Geburtstag des Kinos an. Wahrscheinlich im Oktober soll es dazu eine große Feier geben. Auch die Filmabende mit Prominenten am Tag der Deutschen Einheit sollen fortgeführt werden.

Austausch unter Frauen

Geschäftsfrau war Allegonda van de Merwe schon zeitlebens. Die studierte Lehrerin führte nach ihrer Hochzeit mit Ehemann Erik 20 Jahre lang als Kosmetikerin ein eigenes Ladengeschäft in den Niederlanden. Bis zum Umzug in den Salzlandkreis.

„Wir hatten vorher gar keinen Bezug zur Region“, sagt sie. „Dass wir hier gelandet sind, war Zufall.“ Ihre Heimat besucht die 63-Jährige aufgrund der Vielzahl ihrer Projekte nicht mehr so oft. Dort leben noch ihre Schwester und ihr Bruder.

Ehemann Erik hat nun mit 65 den Ruhestand angetreten. Das sieht die tatkräftige Gonnie van de Merwe trotz aller Eigenständigkeit mit Erleichterung: „Nun muss ich nicht mehr alle Entscheidungen alleine treffen.“ Der Bankier hatte zuletzt eine Führungsposition bei einer niederländischen Versicherungsfirma inne.

Berlin-Touristen sollen angelockt werden

Aktuell ist die aufgeweckte Geschäftsführerin mit der Vermarktung des Schlosses Biendorf ausgelastet, wie sie sagt. Sonst würde sie noch mehr Projekte anpacken.

„Es ist schon ziemlich schwierig, da es eine touristisch noch nicht so bekannte Region war.“ Die fleißige Niederländerin plant nun, verstärkt Berlin-Touristen ins Salzland zu holen.

Seit fünf Jahren ist Gonnie van de Merwe außerdem Teil der Initiative „Frauen wissen mehr“. Fünf Mal pro Jahr kommen knapp 30 engagierte Unternehmerinnen der Region zusammen und widmen sich einem konkreten Thema. Als Nächstes wird das Leben von Asylbewerbern in Bernburg auf dem Programm stehen. (mz)

Gonnie van de Merwe führt in Bernburg das letzte Art-déco-Kino Deutschlands. Für ihr kulturelles Engagement ist die Biendorferin mit dem Titel „Salzlandfrau“ geehrt worden.
Gonnie van de Merwe führt in Bernburg das letzte Art-déco-Kino Deutschlands. Für ihr kulturelles Engagement ist die Biendorferin mit dem Titel „Salzlandfrau“ geehrt worden.
Engelbert Pülicher