Abstand zur Politik und zum Alltag
Alsleben/MZ. - Westphal war als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU immer am Ball, wenn für die Kommune Zukunftsentscheidungen zu treffen waren. Seit den letzten Kommunalwahlen bis Ende des vorigen Jahres hat er das Gremium auch geleitet. Danach fiel satzungsgemäß diese Aufgabe der dann ehrenamtlichen Bürgermeisterin Sylvia Wojtaszek zu. Die letzten Jahre hat Westphal immer stärker das Gefühl entwickelt, zwar etwas beschließen, aber nicht tatsächlich auch entscheiden zu können. "Die Entscheidungskompetenz eines Stadtrats strebt gegen Null", kritisiert der Freiberufler.
Vor allem hat ihn ernüchtert, als es dem Stadtrat nicht gelang, die Zahl der Windräder zwischen Alsleben und Schackstedt auf rund 20 zu begrenzen. "Wenn wir von der Kommunalaufsicht vorgeschrieben bekommen, wie wir abzustimmen haben, kann ich meine geringe Freizeit besser verwenden", konstatiert der dreifache Familienvater.
Auch die Neubildung der Verwaltungsgemeinschaft war für ihn ein schmerzlicher Verlust. Erst war die Polizeistation weg, dann verlor Alsleben die Sekundarschule in Richtung Könnern, und am Schluss hatte Güsten die besseren Karten, als es um den gemeinsamen Verwaltungssitz ging. "Wenn man sieht, wie Stück für Stück soziale Strukturen eines Ortes wegbrechen, dann blutet einem schon das Herz", gibt Westphal zu.
Resigniert wirkt der 45-Jährige, der von 1990 bis 1994 auch dem Bernburger Kreistag angehörte, dennoch nicht. Das hat vermutlich mit dem Engagement für Indianer in Südwest-Brasilien zu tun, zu denen er seit dem vergangenen Jahr Kontakt gefunden hat (die MZ berichtete).
Am vergangenen Sonnabend ist er zusammen mit seiner zweitältesten Tochter Maria (18) aus dem Indianerdorf Mercuri aus dem Bundesstaat Mato grosso zurückgekehrt, wo er gemeinsam mit seinem Kollegen Tilo Bornkessel den Stamm der Bororo zahnärztlich versorgt hat.
"Ich kann dort Leuten helfen, die keine Hilfe mehr bekommen", weiß Westphal, der die Wochen in Südamerika genutzt hat, um Land und Leute kennen zu lernen. Für ihn war es aber auch eine gute Zeit, um mehr Abstand zum Alltag in der Bundesrepublik zu gewinnen.