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Wladimir Kaminer Wladimir Kaminer im Bestehornhaus Aschersleben: Schriftsteller liest aus seinem Buch "Einige Dinge die ich über meine Frau weiß"

Von Detlef Anders 19.02.2018, 08:30
Wladimir Kaminer begeisterte in Aschersleben wieder mit vielen Anektdoten aus seinem Leben.
Wladimir Kaminer begeisterte in Aschersleben wieder mit vielen Anektdoten aus seinem Leben. Frank Gehrmann

Aschersleben - Wladimir Kaminer gilt als der beliebteste Russe Deutschlands. Dabei lebt er seit 1989 hier. Laut Wikipedia hat er damals politisches Asyl in der DDR bekommen und wurde nach der Wende Bundesbürger. Der 50-Jährige ist Schriftsteller und Kolumnist. Zu einer Lesung aus seinem inzwischen 25. Buch „Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß” war Kaminer am Samstag ins ausverkaufte Ascherslebener Bestehornhaus gekommen.

Hier ist er inzwischen Stammgast und wer ihn einmal erlebt hat, kommt immer wieder. Nicht nur die Besucher, auch Kaminer war wieder gern in die Eine-Stadt gekommen.

Zwei Stunden Lesung, unterbrochen von einer längeren Pause auf Wunsch der Veranstalter. Wobei, eine Lesung war es im Grunde nicht, denn Kaminer sprach frei, ohne sich an ein Manuskript zu klammern. Thema sollte laut Ankündigung eigentlich „Das rätselhafte Wesen Frau“ sein. Kaminer hatte im letzten Jahr über seine Olga dieses 25. Buch geschrieben. Doch die besten Anekdoten hatte er schon vor einem Jahr in Aschersleben zum Besten gegeben. Und so wurde seine Lesung wieder zu einer Vorstellung vieler schöner Anekdoten.

Schriftsteller arbeitet an einem Buch über Asylbewerber

Eine Mischung von Beiträgen über seine Olga, seine beiden Kinder, seine Nachbarn, einen Besuch bei der Schwiegermutter, Erlebnissen auf den jüngsten Kreuzfahrten und mehr. Kaminer gab auch gleich einen Ausblick auf die in diesem Jahr avisierten beiden neuen Bücher. Wobei er mit einem Buch über Asylbewerber vielleicht tatsächlich etwas zu spät ist. Denn die syrischen Familien, die vor einiger Zeit in seinem Dorf im Brandenburgischen ankamen, sind bereits wieder weitergezogen. Trotz der freundlichen Integrationshilfen der 130 Dorfbewohner, die ihre neuen Nachbarn mit Fahrrädern sowie Fundstücken aus den Kellern bedacht hatten.

Das Publikum dankte Kaminer am Ende mit viel Beifall und bekam zwei Zugaben. „Es war supi“, schwärmte Gisela Holl, die extra aus Quedlinburg gekommen war. Sie habe bereits über acht Bücher Kaminers gelesen, sagte sie. „Mein Lieblingsbuch ist das vom Schrebergarten, das ist dermaßen witzig“, sagte die Bibliotheksnutzerin. Sie mag vor allem die Hintergründigkeit des Kaminer’schen Humors.

Ärger über den Kühlschrank der Schwiegermutter

Kaminer gab unter anderem eine Geschichte zum Besten, bei der der Kühlschrank seiner Schwiegermutter die Hauptrolle spielte. Ein Sil-Kühlschrank, Baujahr 1955, der ihn nachts mit dem Geräuschpegel eines Panzermotors weckte, aber in seiner Funktion den Staat, in dem er gefertigt wurde, überlebte.

Und eventuell eine Zweitfunktion als Bunker haben könnte, so der Autor. Der gebürtige Russe hatte bei der letzten Ostseekreuzfahrt zwar den Hafen St. Petersburgs betreten, aber kein Visum bekommen, war zu erfahren.

Das Publikum erfuhr außerdem von der Forschungsarbeit der äußerst sprachkundigen und als „weise“ geltenden Tochter in einer Neuköllner Kneipe, und dem Sohn, der nicht auf Lenins Weg, wie der Vater einst, sondern auf dem Jakobsweg unterwegs ist. Das erste deutsche Sprichwort, von dem der 50-Jährige einst hörte, war ausgerechnet, dass man sich vor blonden Frauen und „Autos, die die Russen bauen“, hüten sollte. Kaminer versucht, sich über Tragödien des Lebens lustig zu machen. Als solche bezeichnete er die Sackgasse aus 70 Jahren Sozialismus in seiner Heimat.

Die Damen im Bestehornhaus freuten sich aber besonders auf die Geschichten über Frauen. Kaminers Aussage „Wenn die Welt überhaupt zu retten ist, können nur die Frauen die Welt retten. Allein durch ihre Anwesenheit können sie aus Chaos Ordnung schaffen“, fand mit dem Stichwort „Sondierungsgespräche“ großen Beifall.

Seine Olga habe einen „grünen Daumen“, mit dem sie alle bisherigen Wohnungen der Familie in einen Dschungel verwandelt. Ohne Machete komme er nicht durch die Wohnung. Und nun habe sie sich der Begrünung Brandenburgs verschrieben. Nur vergesse sie dabei oft zu kochen, beklagte er. Ihr brasilianisches Affengras gedeiht prächtig im Garten. „Nun warten wir, dass die Affen kommen.“

Kaminer outete sich zudem nicht nur als Kreuzfahrer, der seinen Zuhörern auf dem Schiff weder morgens, noch mittags, noch abends entkommen konnte, und überall auf Brandenburger trifft, sondern auch als Teneriffa-Liebhaber. Und er schwärmte von Deutschland, der Gemütlichkeit in der Weihnachtszeit und Qualitätswaren wie Autos und Sauerkraut, Zipfelmützen und Luther. Und dass Zekiwa einst das erste deutsche Wort war, was er lesen konnte – auf dem Kinderwagen. „Wir können ja nächstes Jahr weitermachen“, tröstete er die Besucher am Ende der Lesung. (mz)