Mails beantworten, Koffer packen, Aufräumen Warum es vorm Start in den Urlaub oft Stress gibt
Marlen Luther lebt mit ihrer Familie in Drohndorf bei Aschersleben. Sie möchte einen Ausschnitt davon mit den Lesern teilen.
Drohndorf/MZ - Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber seit einigen Jahren überkommt mich beim Wörtchen „Urlaub“ so eine leise Panik. Müssen wir denn wirklich? Könnte man denn nicht vielleicht doch lieber ...? Was man alles mit dem Geld anstellen könnte und erst mit der freien Zeit!? Wer mit Kindern lebt und verreist, weiß sicher, wovon ich spreche. Wer zudem mit Garten und Tieren lebt, weiß es sicher noch besser.
Im Vorfeld dieser zwei Wochen Erholung, die wir zweifellos alle einmal brauchen, gilt es erst einmal, eine logistische Meisterleistung zu vollbringen. Ich gehöre zu den Menschen, die, wenn sie aus dem Urlaub kommen, bitteschön eine hübsch aufgeräumte, picobello saubere Wohnung betreten möchten.
Wenn man nicht gerade über Heinzelmännchen oder Angestellte verfügt, gilt es also, diesen Zustand vor der Abreise herzustellen. Meist wird bis zum letzten Tag gearbeitet, schließlich muss die Zeit der Abwesenheit ja irgendwie kompensiert werden.
Bei uns fiel dieser letzte Arbeitstag in diesem Jahr auf einen Samstag. Schlag 20 Uhr hatte ich alle offenen Texte verfasst, E-Mails beantwortet, Rechnungen geschrieben und Unterlagen wegsortiert. Blieb also noch entspannt der ganze Sonntagvormittag für den Rest.
Dieses klitzekleine Wörtchen „Rest“ bedeutete jedoch nicht weniger, als die gesamte Wohnung zu putzen, alle Pflanzen zu gießen, den Müll rauszubringen, den Garten final zu begutachten, dabei sämtliches reifes Obst und Gemüse zu ernten, die Kinder beim Sachen packen zu unterstützen, die Urlaubsvertretung in Person der Großeltern per Checkliste in die Pflege und Betreuung der Haustiere einzuweisen, noch mal mit dem Hund rauszugehen sowie die geringfügige Nebensache, nämlich das Packen der eigenen Tasche, zu erledigen. Bei der Verteilung und Überwachung der genannten Arbeiten auf Kinder und Ehepartner ist natürlich dicke Luft vorprogrammiert.
Die Abfahrtszeit ist gesetzt, da lässt der Mann nicht mit sich diskutieren und fragt seinerseits etwa alle halbe Stunde nach, ob denn meine Sachen inzwischen schon gepackt seien. „Sind sie nicht!“ Denn gerade laufen wir mit dem Opa über den Hof und erklären ihm, welche Glucke wie viele Küken hat, wo sich das Nest befindet und welches Futter welche Hühner und Katzen wann bekommen.
Im Moment höchster Anspannung ruft auch noch die Schwiegermutter an
Im Moment höchster Anspannung ruft auch noch die Schwiegermutter an, um uns einen wunderschönen Urlaub zu wünschen und zu fragen, wo wir denn eigentlich genau hinführen und ob die Laune denn auch gut sei.
„Ist sie niiiicht!“, möchte ich schreien und diesen blöden Urlaub am liebsten mit sofortiger Wirkung stornieren. Alternativ mich selbst mit meiner noch nicht gepackten Tasche ins Auto setzen, einfach losfahren und sie alle zu Hause lassen – diese ganzen Hühner, Katzen, Kinder und Ehemänner, diese Tomaten- und Gurkenpflanzen und überhaupt.
Hach, wie herrlich würde ich mich erholen! Mit riesiger Sonnenbrille und Strohhut an einem Cocktail nippend in einer Strandbar mit Blick aufs Meer ... Unverhofft schrecke ich aus meinem Tagtraum, als der Hund bellt, da die Kinder über den Flur jagen und sich gegenseitig der Wegnahme irgendeines Ladekabels bezichtigen. Ladekabel sind ja heutzutage überhaupt das Allerwichtigste. Neben dem Handy und natürlich W-LAN.
Wie haben wir es früher nur überlebt, mit unseren Eltern in den Urlaub zu fahren? Mit nichts als einer Thermosflasche voller Früchtetee auf der Rückbank? Die ganze Fahrt rausschauen, nichts als rausschauen.
Kinder sitzen wie kleine Engel still mit Kopfhörern auf den Ohren auf der Rückbank
Heute gilt bei uns die Regel, gezockt wird nur auf der Autobahn, über Landstraßen und durch Städte wird bitteschön auch von den jüngeren Familienmitgliedern der schon vom Daddeln ganz schiefe Hals aufgerichtet, von wegen Allgemeinbildung, Kultur und so.
Als wir dann endlich vom Hof rollen, circa zwei Stunden nach der unumstößlich geplanten Abfahrtszeit, den Kofferraum voll mit Sachen für alle Wetter und Lebenslagen, fällt alles von mir ab.
Wie kleine Engel sitzen die Kinder mucksmäuschenstill mit ihren Kopfhörern auf den Ohren und ich beiße mit Appetit in meine obligatorische Klappstulle, ohne die meine Familie nie auf Reisen geht. Mit jedem Kilometer, den wir hinter uns lassen, verblasst mein Ärger und ich glaube, ich bin jetzt bereit für die richtigen Abenteuer.