Traditionsreiche Arztpraxis Traditionsreiche Arztpraxis: Augenarzt schließt die Karteikästen
Quedlinburg/MZ. - Der aus Artern stammende Arzt war 1963 nach seinem Staatsexamen nach Quedlinburg gekommen. Er bekam eine Pflichtassistentenstelle auf der Inneren Abteilung des Krankenhauses. Dass Ehrig ein Augenarzt wurde, war Zufall. "Die Chefin der Ende 1962 gegründeten Augenklinik, Frau Dr. Sigrid Wilde, hatte mich gefragt. Sie suchte einen Assistenten", erinnert er sich. Die Arbeit gefiel dem jungen Arzt. Als 1970 der damals 80 Jahre alt gewordene Sanitätsrat Dr. Werner Meyer nach 52 Jahren seine Augenarztpraxis in der Bahnhofstraße schloss, übernahm Dr. Gerhard Ehrig die damalige Augenabteilung der Poliklinik.
Im Haus war schon seit 1918 eine Augenarztpraxis. "Die Praxis war rein konservativ." Dr. Ehrig nennt Bereiche der Augenheilkunde von der Diagnostik, anfangs auch kleineren chirurgischen Eingriffen, der Versorgung von Unfällen, der Brillenverordnung, Diabetikeruntersuchungen oder der Nachuntersuchung nach Operationen.
Dr. Ehrig war gern Augenarzt. Glücksmomente hatte er viele. Natürlich gab es auch Schatten, wenn er selbst oder andere Fehler gemacht hatten. Besondere Erlebnisse verschaffte der allgemeinärztliche Bereitschaftsdienst, den Dr. Ehrig bis 1990 auch als Augenarzt leisten musste. "Ich habe Entbindungen im Krankenwagen gemacht und hatte Säuglinge mit Fieber behandelt." Fälle, mit denen er sonst kaum zu tun hatte. "Da war schon viel Angst dabei." In seine Praxis kamen nicht nur Menschen. Den Tierpark Thale interessierte einmal die Ursache für die Erblindung von Birkhühnern und so untersuchte Dr. Ehrig den Augenhintergrund eines Huhns. An das Auge eines Hundes wagte er sich jedoch nur respektvoll per Lupe.
Von 1978 bis 1990 arbeitete Dr. Ehrig gemeinsam mit der Augenärztin Dr. Waltraud Braune. Die Wende bedeute auch für den Augenheilkundler einen Neuanfang. Aus dem sicheren Angestelltenverhältnis wurde ein eigener kleiner Wirtschaftsbetrieb. Neue Technik musste gekauft werden. Die Praxis warf anfangs Gewinne ab, doch die Situation verschlechterte sich trotz eines vollen Wartezimmers und langen Anmeldezeiten und viel Arbeit. Neben den wöchentlich 40 Sprechstunden hat Dr. Gerhard Ehrig abends und an den Wochenenden Arztbriefe und Gutachten geschrieben oder Fachzeitschriften studiert, um auf dem Laufenden zu bleiben. "Die Zeit ist nicht spurlos an einem vorbeigegangen."
Der Vater von drei Kindern und Opa von vier Enkeln freut sich nun auf die Zeit für die Familie. Er möchte wieder drechseln, wandern oder laufen. Vielleicht nimmt er sich auch irgendwann die alten Augenarztgeräte vor, die auf dem Dachboden schlummern. Ein kleines Museum in der alten Praxis? Ehrig schließt es zumindest nicht aus. Ganz ad acta legen will er die Arbeit aber auch nicht. Ab März / April möchte er wöchentlich eine Privatsprechstunde einrichten.
Dass er keinen Nachfolger finden konnte, bedrückt den Augenarzt. "Die erbrachte Leistung wird nicht ausreichend bezahlt", kritisiert er das Grundproblem und äußert seine Sorge um den Nachwuchs. "Die Versorgung wird schlechter."