Tag der Toleranz Tag der Toleranz: Per GPS auf dem Weg in die Geschichte

Aschersleben/MZ - Lydia Gentzig hält das Logbuch in der Hand. Mit ihren Mitschülern aus den Klassen „Metallbearbeiter“ und „Feinwerkmechaniker“ der Wema-Berufsschule beteiligt, sie sich anlässlich des bundesweiten Tages der Toleranz an einem spannenden Projekt, das sie an jüdische Orte in Aschersleben führt. „Ich finde es spannend, wo uns die Technik so hinführt“, sagt sie. Schließlich geht es bei der elektronischen Schnitzeljagd per GPS quer durch die Stadt. Benjamin und Jürgen Kant von der Magdeburger Geschichtsagentur „Zeitreise-Manufaktur“ organisieren immer wieder Workshops und Touren zu historischen Orten. „Wir passen es immer den Teilnehmern und Orten an“, erklärt Benjamin Kant, der in Magdeburg Geschichte studiert hat. Sein Vater fügt an: „Das Geocaching zielt ja hier nicht nur darauf, durch die Welt zu laufen und bestimmte Punkte zu finden. Wir haben bewusst für jede Station, die gefunden wird, Fragen erarbeitet.“ So öffnen die Schüler am Rondell vor dem Stephaneum ihren Umschlag. Darin finden sie die Kopie eines Zeugnisses der Obertertia. Mitten im Schuljahr verlässt Hans-Gideon Hirschfeld 1935 die Schule, um eine Ausbildung in der Landwirtschaft zu beginnen. „Hachschara“ heißt im Jüdischen diese Vorbereitung auf das Arbeitsleben in Palästina. Hirschfeld, dem die Flucht dorthin gelang, ist ein Stolperstein gewidmet, um den sich die Teilnehmer des Projektes sammeln.
Wenige hundert Meter davon entfernt öffnet sich das Tor zum Gelände der ehemaligen Synagoge der Stadt. Auch hier erinnert nur noch eine 1998 eingelassene Platte daran, dass 1852 an dieser Stelle ein jüdisches Gotteshaus erbaut wurde. In der Nazizeit wurde die Synagoge wie unzählige in Deutschland niedergerissen. Nur ein altes Foto erinnert noch daran. Sylvia Wolf-Krieger zeichnet danach für ihre Geocacher-Gruppe den Grundriss ins Logbuch. Sie zählt nicht zu den Berufsschülern, sondern folgte mit Sonja Obst und den Töchtern Johanna (4) und Helena (3) einem Aufruf von Radio HBW zu diesem Toleranz-Projekt. „Wir sind seit knapp zwei Jahren in der Freizeit Geocacher und da wollten wir in der Stadt mal den Pfaden folgen“, erzählen sie. Auch Franziska Winterfeld, Lisa Marie Weirauch und Jasmin Püschel zählen zu jenen, die am Dienstag historische Orte jüdischer Stadtgeschichte aufsuchen. „Durch die Kreativwerkstatt und Tom Gräbe von HBW sind wir dazu gekommen“, erzählen die Mädchen aus Schackenthal, Frose und Aschersleben.
Wobei diese Geocaching-Tour durchaus auch analog zurückgelegt werden kann. Bei Anmeldung bei der Aschersleben-Information bieten Stadtführer diese auch neben den Standard-Terminen im November an.
Berufsschullehrer Joachim Tiebe erläutert, dass neben den Azubis in den Metallberufen auch die anderen Klassen seiner Schule mit eigenen Projekten am „Tag der Toleranz“ beteiligt sind.
Schülerinnen des Dr.-Frank-Gymnasiums Staßfurt hatten im Ethik-Kurs das Ausmaß der Zwangsarbeit in ihrem Heimatort und Leopoldshall erforscht und an der Freien Universität Berlin das Projekt „Zeugen der Shoa“ kennengelernt.
Saskia Hübner, Johanna Zimmermann, Sophie Lüders und Lina Schulze berichten über das Schicksal von Guenter Wunderling, der das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten überlebte. „Aber auch die Shoa-Überlebenden Alfred Stein-Posselt, Rosalia Orlean und Bernhard Littwack aus Aschersleben haben ihre Lebenserinnerung dokumentiert.“
Für Gitte Kießling (MZ), die das Sachsen-Anhalt-Wiki betreut, ist dieser Projekttag wichtig, um zu erläutern, wie die Forschungsergebnisse in das größte elektronische Nachschlagewerk für das Bundesland einfließen können. „Was wir hier hören, das möchten wir nach dem Wiki-Prinzip in das Lexikon einbinden. Da referieren wir nicht trocken drüber, sondern nutzen das, was hier an wertvollen Informationen zusammenkommt.“