Sturm in Seelen und im Saal
Halberstadt/MZ. - Metzger war in der Nach-Krug-Ära der einzige Intendant, der immer wieder versuchte, sich durch eigene Inszenierungen künstlerisch zu profilieren. Warum die Emotionen nun bei "Der fliegende Holländer" so hochschwappten, ist nicht ganz nachzuvollziehen, könnte aber eine große Dialog-Chance für das Haus sein. Kay Metzger inszeniert die Wagnersche Urfassung ohne Pause - und konsequent weg von maritimer Opulenz hin zu einem Seelendrama.
So erlebt das Publikum im Kino-Foyer der 50er Jahre (Ausstattung: Michael Heinrich) eine Parade der wie auch immer Gestrandeten. Sentas (Sabine Hogrefe a.G.) Helden stammen aus den plakatierten Filmen zwischen "Opfer einer großen Liebe" und "Der Fluch der Verdammten" und zeichnen das Ende ihres konsequenten Ausbruchsversuchs aus den Fesseln ihrer Scheinwelt vor. Sabine Hogrefe mit ihrem wunderbar timbrierten Sopran singt eine Senta voller vokaler Eindringlichkeit und emotionaler Farbigkeit, kraftvoll in ihrer Dramatik. Sicher bis in die kompliziertesten Hochtöne schlägt sie flexible Gesangsbögen. Kai Günther linderte als Holländer mit unangestrengtem Forte seines angenehm strömenden Baritons und darstellerischer Faszinationskraft den Schmerz der Alt-Wagnerianer im Zuschauerraum. Im berühmten Holländer-Duett beweist er stimmlich kraftvolle Intensität. Einen Erik, dem das Selbstmitleid zuweilen auch den tenoralen Glanz zu nehmen scheint, gibt Alec Otto. Er ist aber wie Gerlind Schröder als Mary, der sichere Bass von Klaus-Uwe Rein (Daland) und der als Steuermann äußerlich etwas mager wirkende Xiantong Han Garant des musikalischen Erfolges.
In der sauberen Einstudierung von Marbod Kaiser geraten zudem weder der Chor der Spinnerinnen, die bei Metzger stricken, noch der Auftritt der Matrosen zu zweifelhaften Folklorehits. Und Johannes Rieger beweist mit seinem Orchester, dass Wagners Kraft der Musik trotz der Opulenz und selbst in räumlicher Enge zweifelsohne Nuancierung zulässt: Er folgt den Intentionen des Regisseurs und forciert trotz aller Dramatik die Tempi nicht übermäßig.
"Der fliegende Holländer" wieder am Sonnabend, 23. Oktober, um 19.30 Uhr im Großen Haus Halberstadt.