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Weihnachten 1979 Simson S50: MZ-Journalist Detlef Anders und sein Moped in der DDR: Besitzerstolz und Ersatzteilsuche

Von Detlef Anders 05.12.2018, 13:57
Die erste Testfahrt machte der damals 14-jährige Autor am 26. Dezember 1979 auf einem Feldweg.
Die erste Testfahrt machte der damals 14-jährige Autor am 26. Dezember 1979 auf einem Feldweg. Rudolf Anders

Quedlinburg - Weihnachten 1979 - das war für mich das größte Weihnachten. Unter dem Weihnachtsbaum lag damals ein großes Schwindel-Paket: Ganz viel Papier. Und mittendrin ein Kasten, in dem ein Briefumschlag wartete - mit den Papieren für mein erstes Simson-Moped.

Eine rote S-50-B2-Elektronik. Zwar mit einem Eigenanteil vom eigenen Sparbuch, aber Wahnsinn. Ich konnte es kaum erwarten, das gute Stück in Augenschein zu nehmen. Ich folgte meinem Vater per Fahrrad zu einem Feldweg an der

Gersdorfer Burg, einem Vorwerk bei Quedlinburg (Landkreis Harz). Dort konnte ich mich das erste Mal auf das Moped setzen, den Gang einlegen und vorsichtig Gas geben. Da das gut klappte, fuhren wir weiter zu einem kleinen Berg.

Simson S50: Tempo 60 erlaubt

Heute, fast 40 Jahre später, haben die Zweiräder aus Suhl Kultstatus. Sie können aufgrund des Einigungsvertrages mit Moped-Führerschein weitergefahren werden - mit Tempo 60 im Gegensatz zu den sonst langsameren neuen Mopeds. Die Technik gilt als solide. Die Mopeds sind leicht zu reparieren, Ersatzteile preiswert zu beschaffen, das Fahren macht Spaß. Und die Zahl der Liebhaber ist groß.

Auf dem Harz-Ring in Reinstedt etwa gibt es alljährlich ein mehrtägiges Simson-Treffen. Vor 18 Jahren ging mit 100 Teilnehmern los, seit einigen Jahren werden dort um die 1 000 gezählt, meist Jugendliche. Simson-Fahrer stellen auch einen Großteil der Teilnehmer an der wohl größten Oldie-Ausfahrt Deutschlands, die jeweils am 1. Mai von Hedersleben aus in den Harz startet.

Daran war Weihnachten 1979 freilich noch nicht zu denken. Hoch ging es für mich wunderbar. Doch auf dem Rasen talwärts ... Ich hatte schon am ersten Tag eine Beule im Tank! Wie beim Fahrrad hatte ich versucht, die Bremse vorne zu betätigen, da der Rücktritt ja nicht funktionierte. Und so lag ich auf der Nase. Mit der Beule und den verbogenen Fußrasten hatte ich auch später noch öfter zu tun. Aber das erste Mal selber gefahren zu sein, das war schon ein erhebendes Gefühl. Ein Gefühl von Freiheit. Und dann auch noch beim Schwarz-Fahren.

In drei Tagen zum Moped-Führerschein

Aber es dauerte nicht lange, da konnte ich die Fahrerlaubnis beim Allgemeinen Deutschen Motorsportverband (ADMV) machen. Man belegte an drei Tagen einen Crashkurs. Am dritten Tag war die theoretische Prüfung. Alles bestanden. Eine Woche später ging es auf einer Wiese darum, eine Acht zu fahren, noch mal den rechten und den linken Arm rauszuhalten - die praktische Prüfung. Und dann konnte ich die Fleppen auch schon mitnehmen. Fortan war die Simson mein liebstes Fortbewegungsmittel.

Doch es dauerte nicht lange, bis mir ein Trabant-Fahrer beim Linksabbiegen die Vorfahrt nahm. Im hohen Bogen flog ich über den Trabi und lag dann vier Wochen lang mit einem offenen Mittelfußknochenbruch im Krankenhaus. Beim Moped dauerte die Heilung noch länger.

1980 gab es nur schwer Ersatzteile. Die Reparatur dauerte vier Monate. Kaum zwei Monate später, in einer Nacht im März, wurde die Garage aufgebrochen. Nicht nur meine S 50, sondern auch das Simson-Moped meines Vaters, ein KR 50, waren weg. Den alten Roller mit nur zwei Gängen fanden wir kaum zwei Kilometer entfernt auf einem Fußweg wieder. Meine S 50 aber blieb verschwunden. Zum Glück zahlte die Versicherung den Neupreis. Nur: 1981 gab es keine S 50 mehr. Die Simson-Werke Suhl hatten die Produktion auf die S 51 umgestellt. Die Versicherungssumme reichte nicht mehr für die teurere Vier-Gang-Ausführung mit Elektronikzündung, sondern nur noch für ein Drei-Gang-Getriebe mit Unterbrecherzündung.

Bei Wind und Wetter

An den Wochenenden drehte ich gern eine Runde im Harz. Von Quedlinburg nach Friedrichsbrunn und über Thale zurück. Zum Motocross in Westerhausen und Westeregeln fuhr ich ebenso. Oft war ich mit meiner Foto-Kiste unterwegs. Ich hatte angefangen, mit meiner vom Lehrlingsentgelt abgesparten Praktika zu fotografieren und schoss auch für Betriebs- und Tageszeitungen Bilder.

In den Jahren bei der Armee staubte das Moped in der Garage ein. Als ich 1987 meine Katy kennenlernte, war sie die Erste, die mit der Simson - liebevoll Simme genannt - fahren durfte. Auf einem Feldweg. Sie stellte sich prima an. Aber irgendwie muss sie Motorradfahrer interessanter gefunden haben. Wir kamen erst 19 Jahre später zusammen. Ohne Simme. Dazwischen lagen viele Sommer. Auch mit der Simson. Drei Jahre kutschte ich mit der Simme von Quedlinburg nach Eisleben zum Studium. Bei Wind und Wetter. Bei Regen manchmal bis obenhin nass, obwohl ich auch eine Lederkluft von meinem Vater hatte.

Was gehörte zum Mopedfahren? Ein Sturzhelm war damals nicht vorgeschrieben. Aber ich hatte einen gelben. Schön war der nicht. Aber mit einem schwarzen Schirm aus glasfaserverstärktem Kunststoff war er cool. Auf breite Lenker habe ich verzichtet. Mein Luxus waren Seitengepäckträger. An Tuning war nicht zu denken. Ich war froh, wenn die S51 lief.

Es kam oft vor, dass sich an der Zündkerze eine Brücke bildete, so dass ich irgendwann Meister im Zündkerzen-Putzen war. Wenn das Antreten nicht half, musste angeschoben werden. Zehn Meter rennen, aufspringen, den ersten Gang rein und hoffen, dass der Zündfunke springt und der Motor läuft. Auch Tanken war so ein Problem. Es passten nur 8,7 Liter rein. Wenn es knapp wurde, legte man das Moped auf die Seite. Aus der unteren Hälfte des Tanks floss dann noch ein kleiner Rest in die Hälfte, an der der Benzinhahn befestigt war, und lief zum Vergaser. Dann konnte man noch sechs oder sieben Kilometer weit fahren und hoffen, dass die nächste Tankstelle wirklich offen war.

Nach Hause schieben musste ich meine S 51 nur einmal. Das lag aber nicht daran, dass ich keinen Sprit mehr hatte, sondern daran, dass mir jemand nach einer Klassenfeier in Weddersleben das Zündkabel geklaut hatte. Fortan hatte ich immer ein Ersatz-Zündkabel dabei.

Aus durch Kolbenfresser

Bis 1994 fuhr ich mit dem Moped. Dann hatte ich einen Kolbenfresser. Der Motor war fest. Ich hatte damals keine Lust, den Motor zu reparieren, ließ die Simme in der Ecke stehen und fuhr nur noch Auto. Doch ich brachte es nicht übers Herz, mein Moped zu verkaufen, obwohl ich etliche Anfragen hatte. Ich habe mir gesagt, dass ich sie irgendwann flott machen will. Meine Liebste fragt: „Wie soll denn das aussehen? Du auf einem kleinen Moped?“ Ich gebe ihr ja Recht, aber manchmal bekomme ich doch Lust aufs Schrauben.

Mein Bruder hat mir nun schon geholfen. Die Räder sind neu gespeicht, neue Reifen aufgezogen. Ich habe sogar einen überholten zweiten Motor. Der verrostete Tank ist entrostet und mit Kunststoff ausgekleidet. Was mir noch fehlt, ist eine Zwölf-Volt-Lichtmaschine und eine elektronische Zündung. Vielleicht bringe ich die S 51 ja wirklich noch einmal in Gang. Nur bräuchte ich dann hinten stärkere Federn. Aber die große Begeisterung für mein Simson-Moped ist auch nach fast 40 Jahren immer noch da, wie Weihnachten 1979 auf dem Feldweg an der Gersdorfer Burg. (mz)

Die Originalteile der Simson von Detlef Anders haben an Glanz verloren, sind aber wie Räder und der überholte Motor fit für den Neuaufbau.
Die Originalteile der Simson von Detlef Anders haben an Glanz verloren, sind aber wie Räder und der überholte Motor fit für den Neuaufbau.
D. Anders
Das erste Mädchen auf der S51 war 1987 die damals 17-jährige Katy.
Das erste Mädchen auf der S51 war 1987 die damals 17-jährige Katy.
D. Anders