Salzlandkreis Salzlandkreis: Durch Lola-Zeit das Lesen lernen
FROSE/MZ. - Lola ist ganz traurig. Eigentlich wollten die Buchstaben helfen. Doch nun stehen sie kreuz und quer an der Tafel. Und so wird aus Mama Wama und der Papa zum Pada. Doch die elf Erstklässler der Froser Grundschule können der Handpuppe helfen. Schnell drehen sie die Buchstaben richtig herum und können sie sogar benennen. "Das ist das große M wie Maus", erklärt Annabell und Justin entdeckt das kleine d wie Dino.
Klassenlehrerin Ines Sachweh ist ganz begeistert von der Leistung der Kinder, die dank einer Anlaut-Tabelle sogar unbekannte Buchstaben lesen können, und von der neuen Unterrichtsmethode, die die Schule seit August mit sichtbarem Erfolg ausprobiert.
"Uns war klar, dass wir was anders machen müssen", erklärt Ines Sachweh die Herausforderung, die das aktuelle Schulgesetz mit sich brachte. Denn danach sind die Grundschulen verpflichtet, sich konzeptionell, schulorganisatorisch und inhaltlich mit der Ausgestaltung des flexiblen Schuleingangs auseinanderzusetzen. Dieser sieht vor, dass die Kinder nach ein, zwei oder drei Jahren in die dritte Klasse kommen können - je nach dem eigenen Entwicklungstempo der Jungen und Mädchen.
Denn: "Die Erfahrungen, die Kinder in den ersten sechs Lebensjahren machen, sind aufgrund der Vielfalt der Angebote und Möglichkeiten, die Eltern mehr oder weniger für ihre Kinder wahrnehmen, so unterschiedlich, dass Entscheidungen zur Aufnahme oder Nichtaufnahme in die Grundschule die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder nicht vollständig erfassen können", heißt es in dem von der Schule angefertigten Konzept. So gebe es individuelle Unausgewogenheiten in den kognitiven, motorischen, sprachlichen und sozialen Kompetenzen, auf die die Lehrer und pädagogischen Mitarbeiter nun viel gezielter als vorher eingehen können.
Das richtige Unterrichtsmaterial dafür fanden die Froser in "Einstern" für Mathematik und "Einsterns Schwester" - ebenjene Lola - für den Deutschunterricht. "Da gibt es sechs Hefte für das ganze Schuljahr", zeigt die durch Fortbildungen und Hospitationen vorbereitete Grundschullehrerin die Unterrichtsmaterialien, mit deren Hilfe sich die Kinder - jedes nach seinem eigenen Tempo - während der Lola-Zeit die Buchstabenwelt ganz allein erschließen können.
"Das ist ganz einfach konzipiert", staunt Ines Sachweh noch immer. Denn anhand der Piktogramme, die über den Buchstaben stehen, wird aus Ofen, Maus und Ameise zum Beispiel Oma. Anschließend können die Erstklässler dann anhand von Lösungsblättern und mit Hilfe der pädagogischen Mitarbeiterin kontrollieren, ob sie die Übungen richtig erledigt haben.
Dass die Kinder damit gut zurechtkommen, beweist die Praxis. Denn obwohl die Erstklässler erst seit dreieinhalb Monaten zur Schule gehen, sind manche Schüler schon im dritten Heft. "Alle", so zeigt sich die Klassenlehrerin erstaunt und ist von der Dynamik der Kinder begeistert, "haben eine andere Seite - und das geht." Annabell ist gerade bei F wie Fisch. "Deutsch mache ich am liebsten", gesteht das Mädchen und schiebt hinterher: "Weil ich gerne lese."
Der Unterricht - offen und halboffen - lässt der Lehrerin dann auch genügend Zeit, jeden Einzelnen zu fördern. Doch auf die - wie sie es nennt - "Zusammen-Zeit" am Anfang jeden Tages, wo gemeinsam gelesen, gerechnet oder geschrieben wird, will sie nicht verzichten. Und auch andere Dinge aus ihrer früheren Lehrerzeit hat sie mitgenommen. So wie die Lobhamsterkarten oder die an der Wand angepinnten Namen der Kinder, deren Buchstaben sie farbig nachzeichnen dürfen, sobald sie ihn behandelt haben.
Nur dass das seit diesem Jahr eben zu unterschiedlichen Zeiten geschieht. Doch: "Jede Eile beim Lernstart rächt sich im Verlauf der Schulzeit", wird im neuen Schulkonzept ganz klar gemacht. "Grundschullehrer brauchen Mut zur Langsamkeit und dürfen sich nicht treiben lassen. Die Zeit, die sich für die Ausbildung der Lernvoraussetzungen genommen wird, wird in späteren Lernphasen wieder eingespart."
Wie viel Zeit tatsächlich gebraucht wird, das ist am Ende egal, da die Schuleingangsphase ein bis drei Jahre umfassen darf. Um den Kindern dann das eventuelle Eintauchen in ein neues Lernkollektiv zu erleichtern, wird es vermehrt eine Zusammenarbeit mit der zweiten Klasse geben.
"So haben wir zum Beispiel das Herbstprojekt gemeinsam gemacht und es gibt auch Patenschaften, damit sich die Kinder der beiden Klassen besser kennenlernen können", verrät die engagierte Klassenlehrerin, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Angela Thierberg - die im kommenden Schuljahr die angehenden Abc-Schützen übernimmt - das neue Lernkonzept mit Leben erfüllt.
Mit einem Lächeln streift die Pädagogin Handpuppe Lola über und hilft den Kindern in der Ecke, wo bunte Drachen und selbstgebastelte pausbäckige Äpfel hängen, beim Kontrollieren der gerade erledigten Deutsch-Aufgaben. "Für mich ist das sehr spannend und es macht Spaß", gesteht Ines Sachweh und ist nur ein bisschen traurig, dass sie ihre damals dritte Klasse dafür schon vorzeitig abgeben musste.