Salzlandkreis Salzlandkreis: Ausblick ins Einetal und zum Harz
ASCHERSLEBEN/MZ. - "Etwas links (südöstlich) unterhalb des Wartturmes liegt am Rand der Erdkerbe der sogenannte Luisenblick, zu dem man auf einem verschlungenen Spazierweg leicht gelangen kann. Hier steht ein kleiner, Regenschutz bietender Pavillon. Von diesem Punkt hat man einen besonders schönen Blick auf das obere Eine-Tal und den kleinen Ort Westdorf." So wird der vor 100 Jahren unterhalb der Westdorfer Warte im Stephanspark errichtete Aussichtspunkt Luisenblick im Begleitheft zum heimatkundlichen Lehrpfad "Die Alte Burg in Aschersleben" aus dem Jahre 1979 beschrieben.
Erinnerungen an einen Ausflug
An einen Familienausflug dorthin erinnerte sich die in Aschersleben geborene Liselotte Wolff-Hemmer (1906-1995) in ihrem Roman "Eine gutbürgerliche Familie", in dem sie ihre Kindheit und Jugend in Aschersleben beschreibt: "Meine Füße fingen an zu schmerzen, und die Zehen brannten in den neuen Schuhen. Ich fing an zu humpeln, da rief meine Schwester Greti: Seht mal, da ist ja das Neue Schützenhaus, und dahinter liegt eine Schutzhütte, der Luisentempel! Aufatmend ließ ich mich auf die Bank fallen und befreite mich schleunigst von den drückenden Schuhen. Welch überwältigender Weitblick, wie schön ist doch unsere Heimat! sagten die Eltern und sahen mit hellen Blicken über das weite Tal. Die Luft war klar und kühl, man sah die Felder bis zu den Bergen des Harzes, die wie dunkles Gewölk den Horizont abschlossen. Rings um uns herum sonnige Hänge und Wiesen der Westdorfer Hügel ."
Der kahle Berg
Im Jahr 1911 hatte das Gelände um Alte Burg, Stadtwald und Stephanspark ein völlig anderes Aussehen. Im Einetal gab es noch keinen Gondelteich und kein Freibad. Im Gegensatz zu heute waren große Teile noch nicht oder erst wenig bepflanzt, was man anschaulich auf Postkarten und Bildern aus jener Zeit sieht.
Die kontinuierliche Bepflanzung der Burg- und Stadtwaldanlagen war in erster Linie das Verdienst des 1889 neu gegründeten Verschönerungsvereins Aschersleben. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es hier auch einen Plan zur Errichtung einer Aussichtshalle in den Stadtwaldanlagen auf der Plattform unterhalb der Westdorfer Warte.
Anfang des Jahres 1911 konnte er endlich verwirklicht werden. Das Mitglied des Verschönerungsvereins, der Fabrikant, Kommerzienrat Richard Bestehorn, übernahm die gesamten Kosten zum Bau der geplanten Aussichtshalle nach den Plänen des im Jahr zuvor gewählten Stadtbaurats Hans Heckner. Sicher war diese Stiftung auch gleichzeitig ein Beitrag der Firma H. C. Bestehorn, die in dem Jahr am 1. April ihr 50-jähriges Bestehen feierte, an die Stadt Aschersleben. Und außerdem tagte im Juni des gleichen Jahres der Städtetag der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt in den Mauern Ascherslebens.
Aufträge für Handwerker
Die Errichtung der Aussichtshalle in der Nähe der Westdorfer Warte wurde vom Zimmermeister Gustav Luther, der seine Werkstatt in der Heinrichstraße 12 hatte, nach Heckners Plänen ausgeführt, die umgebenden Anpflanzungen durch den Obergärtner Hermann Berg aus der Feldstraße 21 b.
Der Verschönerungsverein schrieb am 18. Mai 1911 im Anzeiger: "Die Halle, die jetzt ihrer Bestimmung übergeben ist, bildet ein reizvolles Stück Gartenarchitektur in Anlehnung an ähnliche Werke aus der Zeit Goethes. Das weitausladende, mit brauner Eichenschindel gedeckte Dach schützt den Wanderer vor Schlagregen, und das um so eher, als es sich in mäßiger Höhe über dem Terrazzo des Fußbodens wölbt. Die pilzartige Form des Ganzen bildet einen offenbar beabsichtigten Gegensatz zu der Westdorfer Warte, die dem kleinen Bau gegenüber nur noch schlanker und höher erscheint. Überraschend wirkt der innere Einbau. Die originell gestellte Innenwand, die in ihrer ganzen Abwickelung von Bänken begleitet wird, bürgt für eine geschützte Ecke, woher der Wind auch blasen mag. Der Aufstellungsort der rings auf Säulen ruhenden kleinen Halle ist ausgezeichnet gewählt."
Weiter schwelgte man in Lobesreden über das neue Ausflugsziel: "Mit seinem Empfinden hat der Künstler das Werk in seine Umgebung hineingestellt. So einfach und schlicht, so traulich und einladend, und so voll von Anmut grüßt es uns schon von weitem in diesen blühenden Frühlingstagen. Wer empfände nicht herzliche Freude, wenn er von solcher Stelle in das liebliche Tal hinabblickt, das sich weithin bis Burg Arnstein und darüber hinaus dem Auge öffnet! So sind unsere schönen Vereinsanlagen um eine neue Zierde reicher."
Verein beschließt Namen
"In dankbarer Anerkennung für den Stifter Richard Bestehorn", hatte der Vorstand des Verschönerungsvereins Aschersleben beschlossen, der neuen Ausflugshalle den Namen Luisenblick nach dessen Gattin zu geben. Am 21. Juni 1911 berichtete der Anzeiger nochmals über den neuen Aussichtspunkt: "Durch die Krönung mittels einer eigenartigen, goldenen Kugel ist jetzt die Ausblickshalle Luisenblick in ihrer ganzen Schönheit fertiggestellt worden. Es ist ein tadelloser Bau, der sich inmitten von blühenden und grünen Sträuchern gut ausnimmt. Er bildet die größte Zierde des Stephansparks. Dem Stadtbaurat Heckner macht dieser wohlgelungene Schutzbau alle Ehre. Die mustergültige und geschmackvolle Anbringung des Windschutzes muss besonders hervorgehoben werden. Auch die Umgebung des Luisenblicks ist durch passende Anpflanzungen des Obergärtners Berg bestens verschönt."
Besonders hervorgehoben wurde die weite Aussicht: "Bewundernd schweift der Blick hinaus und grüßt die bewaldeten, blond verschleierten Bergkuppen des Harzes. Im Vordergrund ruht er auf dem mit den freundlichen Dörfern Westdorf und Welbsleben besetzten Laufe der Eine, die sich durch die Hügelketten windet und bleibt dann auf der Ruine Arnstein bei Harkerode haften. Mancher Spaziergänger wird von dem Luisenblick bequem und wohlgeschützt gegen die Unbilden der Witterung die herrliche Tal- und Fernsicht genießen."
Auch stürmische Zeiten
Im Laufe der Jahrzehnte erlebte die Luisenhalle ruhige und weniger ruhige Zeiten. Sie war sowohl Ziel von Spaziergängern und Wanderern sowie Treffpunkt für Liebespärchen als auch immer wieder Angriffsziel für Vandalismus und Zerstörungswut. So musste die Luisenhalle 1921 nach der "Verunzierung durch Bubenhände" wieder instand gesetzt und bereits im Jahr 1926 vom Verschönerungsverein bereits wieder "neu gestrichen und hergerichtet" werden. Am 26. Oktober 1963 meldete die Lokalpresse: "Durch fahrlässige Brandstiftung wäre beinah unser Luisenblick ein Opfer der Flammen geworden. Nur die Aufmerksamkeit einiger Passanten und das Eingreifen der Feuerwehr hat größeren Schaden verhütet."
Der "Stadtreporter" schrieb nach einem Spaziergang zu Ostern 1990 in der MZ: "In Richtung Erdkerbe / Luisenblick ging ich dann weiter. Der Ausguck nach Westdorf entschädigte für den Anblick leerer Zigarettenschachteln und Papierfetzen da und dort." Mit den Jahren wuchsen auch die Bäume und Sträucher, so dass die anfangs noch weiträumige Aussicht immer kleiner wurde. In jüngster Vergangenheit war der Luisenblick eher eine ständige Baustelle und offiziell nicht mehr zugänglich. Inzwischen sind die Arbeiten allerdings beendet und der kleine Pavillon erstrahlt tatsächlich in neuem Glanz.