Rock-Show im Bestehornhaus Aschersleben Rock-Show im Bestehornhaus Aschersleben: Ein Stein rollt ins Paradies

Aschersleben/MZ - „Das war richtig, richtig toll! Schreiben Sie das unbedingt in Ihre Zeitung!“ Die Autorin der folgenden Zeilen kommt dieser spontanen Aufforderung einer Besucherin des Rock-Spektakels „Rollt ein Stein ins Paradies“ an dieser Stelle sehr gern nach. Denn: Was der Elf-Verein aus Aschersleben hier geleistet hat, darf durchaus als sensationell bezeichnet werden.
Zwischen Angst und Rebellion
Das Stück hatte jetzt im Bestehornhaus Premiere und ist nach „Zwei Tage im Hinterhof“ die zweite große Produktion des Vereins. Sie erzählt mitreißend, witzig und hintergründig die Geschichte einer Gruppe von jungen Leuten, die sich selbst erkennen und die Mauer nicht nur buchstäblich, sondern auch in den Köpfen einreißen.
Die Story beginnt in Ödland. Gnadenlos kontrolliert von der Brainwächterin (Lisa Schwebel), sind die Jugendlichen gefangen in einem Leben zwischen eintöniger Arbeit, Angst und dem Wunsch nach Freiheit. Dem Liebespaar Jane und Mick (Nicole Funke und Marcus Wagner) und den Freunden erscheint das Leben hinter der Mauer, in Paradise Eiland, wie eine Verheißung. Ruby Tuesday (Julia Arlt), Schwester von Jane, missbilligt deren Beziehung zu Mick. Sie hat Angst, weil schon ihre Eltern von der Brainwächterin geholt worden waren und sie versprochen hatte, auf ihre kleine Schwester aufzupassen.
Erst die Freunde, die mutige und lebenslustige Angie (Melissa Schiller), die charmant-verrückte Honki Tonk (Mandy Heidrich), Jumping Jack (Nadine Huber) sowie Keith (Carsten Buchal) überzeugen sie schließlich davon, dass gegen Liebe sowieso kein Kraut gewachsen ist. Brian (Sebastian Jegielka) spielt den schwulen Freund, der sich am Ende als schwach und verräterisch erweist, so überzeugend, dass er die Lacher im Publikum oft auf seiner Seite hat. Als Ruby wegen verbotenen Radiohörens im Gefängnis landet, wird sie von den Freunden befreit und alle fliehen nach Paradise Eiland.
Dort findet sich keine Spur mehr von grauem Einerlei: Alles ist bunt und glitzert, die jungen Leute freuen sich über die neuesten Handys, genießen die schicken Klamotten und wechseln die Partner. Jetzt bestimmen nicht mehr Langeweile, sondern Drogen und Alkohol das Dasein.
Aus der Brainwächterin ist Lady Corupto geworden, die übers Geld ihre Macht erhält. Irgendwann merken die Jungen und Mädchen, dass das nicht das Leben ist, das sie wollten. So wie schon in Ödland regt sich Rebellion. Jumping Jack ist es schließlich, die den Impuls gibt, die Mauer einzureißen und gemeinsam mit den Ödländern eine bessere Welt zu bauen.
Die Rock-Show lebt zu großen Teilen von den großartigen Stimmen der Hauptakteure. Sie alle haben zum Teil Erfahrung auf der Bühne und eine musikalische Grundausbildung, ohne Profis zu sein. Im „normalen“ Leben sind sie Altenpfleger, Studenten, Geschäftsleute, Eventmanager und haben in verschiedenen lokalen Musicalproduktionen mitgewirkt. Und natürlich ist es die Musik der Rolling Stones, die so lebendig daherkommt wie eh und je. Hervorragend interpretiert werden die Songs von der Staßfurter Band „Fijazzko“. 26 unvergessene Titel der „Steine“ wie „Ruby Tuesday“, „Gimme Shelter“, „Jumping Jack Flash“, „Angie“ oder „Satisfaction“ geben dem Rockspektakel ihr Gepräge.
Zudem ist die Inszenierung ein Augenschmaus. Zum einen wegen der fantasievollen Kostüme. Zum anderen aber auch wegen der witzigen Requisiten. So kommt Brown Sugar (Thomas Niepel) in Ödland als Gebrauchtwarenhändler mit einem abenteuerlichen Gefährt auf die Bühne. In Paradise Eiland taucht er noch einmal auf - als cocktailmixender Rasta-Man. Lady Corupto lässt Kreditbriefe im Publikum austeilen und „Geldscheine“ vom Balkon regnen. Ein singender Erzähler (Tino Jung), prächtig gekleidet und charismatisch agierend, hält die Geschichte zusammen. Und nicht zuletzt sorgen die gekonnt tanzenden „Butze-Kids“ mit ihrer Choreografin Vivien Horn für mitreißenden Schwung. Aus den Reihen der Butzekids kommen auch die „Traumfänger“, die die Gedanken der Menschen einfangen und diese im „Buch der Zeit“ festhalten. Der Zuschauer spürt: Hier waren viele Menschen mit viel Liebe am Werk. Nicht nur diejenigen, die auf der Bühne zu sehen waren, sondern auch hinter den Kulissen. Die Proben für das aufwändige Projekt dauerten fast ein Dreivierteljahr. Die Band hat sogar schon Ende 2012 mit den Proben begonnen, um das Pensum überhaupt zu schaffen. Der Vater des Ganzen, Autor und Regisseur Manfred Horn, ist die Erleichterung nach der Premiere anzumerken. Sichtlich stolz auf die ganze Mannschaft, sagt er voller Bewunderung: „Die haben alle gespielt, als ginge es um ihr Leben.“
Singende Kollegin
Voller Bewunderung sind auch Claudia Helling und Sandra Kurtze aus Belleben. Frau Helling ist eine Kollegin der „Jane“, die im richtigen Leben im Jugendamt arbeitet. „Wir bereuen es keine Minute, extra nach Aschersleben gekommen zu sein. Wir mögen die Musik sowieso, aber die Aufführung dazu ist einfach große Klasse.“ Das sehen wohl alle so, denn am Ende gibt es tosenden stehenden Applaus. Und das musste jetzt einfach mal geschrieben werden.

