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Puppendoktor zu Gast in Aschersleben Puppendoktor zu Gast in Aschersleben: Patienten aus Plüsch und Plaste

Von marion pocklitz 20.03.2014, 18:49
Puppendoktor Günter Geier in Aktion
Puppendoktor Günter Geier in Aktion Frank Gehrmann Lizenz

aschersleben/MZ - Die Sprechstundentür steht weit offen. Günter Geier hat seit drei Stunden seine Notaufnahme geöffnet und bereits 35 Patienten aufgenommen. Frakturen, fehlende Gliedmaßen, Schädelbrüche und sogar Augenverletzungen musste er behandeln. Doch er tut es gern. Seit 54 Jahren schon operiert und saniert der 74-jährige Puppen und Teddys. In allen Regionen Deutschlands übrigens. Nun hat sein pinkfarbener Truck endlich auch einmal Station in Aschersleben gemacht. Bis Sonnabendnachmittag finden auf dem E-Center Parkplatz Patienten aus Plüsch und Plaste oder Porzellan Hilfe.

Trostpflaster helfen

Der Notarzt freut sich über die rege Nachfrage der Ascherslebener und hat bereits Vorsorge getroffen. So musste seine Frau mit auf die Reise gehen, denn allein hätte er den Andrang nicht bewältigen können. In seinem Notarztkoffer liegen Feile, Schere, Säge, aber auch Stethoskop und Pflaster griffbereit. Denn kommen die kleinen Kunden mit ihren „Kindern“, dann müsse er auch zu letzterem greifen. Denn Trostpflaster helfen schließlich bei fast jeder Wunde.

In seinem Lager, zu Hause in der Nähe von Bamberg, hat er über 15 000 Ersatzteile. „Einen Puppenfriedhof gibt es bei mir nicht. Hier stirbt kein Patient. Man muss sich dafür aber anstrengen“, stellt er klar. Und so werden nicht nur Gliedmaßen oder Augen, sondern manchmal auch ganze Köpfe ausgetauscht.

Mobiles Ersatzteillager

Ein großes Ersatzteillager hat er auch in seinem Truck, den er seit acht Jahren besitzt. Fehlt doch mal etwas, dann nimmt er die Puppen mit in seine Heimat und schickt sie per Post zurück.

Doch den meisten Patienten kann er sofort helfen. Auch „Oma Martha“ wird am Sonnabend wieder entlassen werden können. Die etwa 90 Jahre alte Puppe von Barbara Tippmann hat beide Beine gebrochen. „Seit 1992 schon. Damals habe ich ihr eine Binde umgemacht. Einen Puppendoktor habe ich nie erwischt“, sagt sie und sei deshalb besonders glücklich über diese ungewöhnliche Sprechstunde. Jahrelang hat sie ihre Puppe im Schrank liegen lassen, damit nicht noch mehr kaputt geht. Denn für sie ist es ein wichtiges Erinnerungsstück an ihre Lieblingstante.

„Die Puppe ist ein sehr schönes Stück. Die bekommen wir wieder heil. Sollen wir ihr auch noch eine Stimme geben“, fragt der Puppendoktor. Nach kurzer Überlegung kann Barbara Tippmann nicken. „Ich bin so glücklich und freue mich auf Sonnabend, wenn ich sie wieder abholen kann“, verrät sie.

Glückliche Momente

Viele Kunden bringen mit dem Spielzeug Erinnerungsstücke zu Günter Geier. Manchmal sind Puppe oder Teddy das einzige, was bei der Flucht aus der Heimat nicht verloren ging. Wenn er in solchen Fällen helfen kann, sind das für den 74-Jährigen besonders glückliche Momente. Doch nun möchte der gelernte Schneider in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Wer und ob überhaupt jemand seine die Sprechstunde übernimmt, wird sich zeigen. „Leider stirbt dieser Nostalgie-Beruf aus“, sagt er und findet, das sei ein deutlicher Unterschied zu seinen Patienten, die immer am Leben bleiben.

Günter Geier kümmert sich um zu Bruch gegangene Puppen.
Günter Geier kümmert sich um zu Bruch gegangene Puppen.
Frank Gehrmann Lizenz
Ohne Ersatzteile geht es nicht.
Ohne Ersatzteile geht es nicht.
Frank Gehrmann Lizenz