Die Verzweiflung der Therapeuten Podologin Kathrin Bohne Aschersleben sorgt sich um Zukunft: "Politik nimmt Verschwinden der Therapiepraxen in Kauf"
Aschersleben - „Bitte Hände desinfizieren“, sagt Kathrin Bohne zu jedem, der ihre Räume betritt. Sie ist sich ihrer Verantwortung bewusst und legt nicht erst seit Corona größten Wert auf Hygiene in ihrer Podologie-Praxis in der Otto-Arndt-Straße.
Gerade hat der letzte Patient für diesen Tag die Praxis verlassen. Es ist ruhiger als sonst. Viele sagen ihre Termine ab, einige meinen sogar, ihre Praxis habe geschlossen. Doch Therapeuten wie Kathrin Bohne gehören in die Gruppe der systemrelevanten Berufe und dürfen - ja sollten - ihre Praxen mit Einschränkungen offen halten.
Auch Kathrin Bohne hat in dem Wissen, dass viele ihrer Patienten zur Risikogruppe gehören, eine Grenze gezogen und bestellt sich nur die Notfälle. Und nimmt so die erwarteten finanziellen Einbußen in Kauf.
Viele Therapeuten blicken mit Angst in die Zukunft
Die Verzweiflung der Therapeuten, zu denen nicht nur Podologen, sondern auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden gehören, wächst in diesen Tagen. Dass ihre Berufe systemrelevant sind - davon spüren sie nichts. „Es steht niemand für uns ein“, sagt die 42-Jährige, die sich 2016 selbstständig gemacht hat.
Den hohen Anforderungen vor allem in Bezug auf Hygiene stehe ein sehr niedriges finanzielles Niveau gegenüber. Mit anderen Worten: Die Leistungen der Therapeuten würden unterdurchschnittlich vergütet. Bis Juni 2019 hatte jede Kasse ihre eigenen Sätze, diese seien zum Glück inzwischen vereinheitlicht.
Hohe Kosten und schlechte Bezahlung nehmen den Therapeuten nach den Worten von Kathrin Bohne jede Möglichkeit, vorzusorgen und eine Durststrecke wie die Corona-Krise zu überstehen. „Tiefen sind ja normal in der Wirtschaft“, sagt sie, „doch wir haben einfach keine Chance, Rücklagen zu bilden.“
„Wir haben einfach keine Chance, Rücklagen zu bilden“, klagt Kathrin Bohne
Hinzu kommen aktuell die Schwierigkeiten, Schutzausrüstung überhaupt zu besorgen und aufgrund der horrend gestiegenen Preise zu bezahlen.
Die Ankündigung der Bundesregierung, Soloselbstständigen finanziell unter die Arme zu greifen, „hilft vielleicht ein wenig“, hofft sie. Aber die Therapeuten wollen generell bessergestellt werden. Sie stellt sich hinter einen offenen Brief, den der Spitzenverband der Heilmittelverbände an die Politik geschrieben hat.
„Die Politik nimmt das Verschwinden der Therapiepraxen in Kauf“ heißt es da. Und sollten diese aus finanziellen Gründen schließen müssen, würde dies auf Dauer „massive Versorgungsprobleme bringen“. Was dem Gesundheitssystem als Ganzem und in erster Linie den Patienten schaden würde.
„Wenn wir weg sind, kommt nichts nach“, ist Kathrin Bohne überzeugt. Der Verband fordert deshalb einen eigenen Rettungsschirm sowie Ausgleichszahlungen von den Krankenkassen, denen in der jetzigen Situation - wenn die Praxen weniger Patienten behandeln - ja auch weniger Kosten entstünden.
Kathrin Bohne wollte zum 1. April eigentlich jemanden einstellen. Dieses Vorhaben legt sie nun erst einmal auf Eis - auf unbestimmte Zeit. (mz)