Sekundenschlaf Nach Unfall wegen Sekundenschlaf: Amtsgericht Aschersleben stellt Verfahren gegen Schichtarbeiter ein

Aschersleben - Wie schuldig ist jemand, der übermüdet gegen einen Baum fährt? Und wie bestraft man ihn? Diese Frage stand am Donnerstag im Ascherslebener Amtsgericht im Raum.
Ein Unfall im Sekundenschlaf ist eine schreckliche Vorstellung. Zumal fast jeder das Gefühl kennt, nach längerer Fahrt am Steuer zu ermüden. Genau das ist Heiner L. (Name geändert) am 1. Juni vergangenen Jahres passiert.
Fahrt von Eisleben nach Aschersleben
Er fühlte sich fit, als er sich nach seiner Schicht in einem Eislebener Betrieb ins Auto setzte, um zurück nach Aschersleben zu fahren. Hinter Quenstedt verlor er plötzlich die Kontrolle über sein Fahrzeug, kam von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem Baum am Straßenrand.
Drei Tage lang wurde er im Krankenhaus behandelt, das Auto war schrottreif. Wie gefährlich Sekundenschlaf ist, verdeutlicht diese Rechnung: „Schon drei Sekunden Schlaf kommen bei Tempo 100 einem Blindflug von 83 Metern gleich“, sagt Ute Hammer, Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrssicherheitsrates.
Unfall hat ein gerichtliches Nachspiel
Obwohl kein anderer Mensch zu Schaden kam, hatte der Unfall nun ein gerichtliches Nachspiel. Der bisher völlig unbescholtene Heiner L. stand plötzlich als Angeklagter vor dem Amtsgerichts. Denn das Einschlafen am Steuer rechnet zu den Straftaten.
„Die Rechtsprechung geht davon aus, dass es Anzeichen gibt und nicht mehr fahrtüchtig ist, wer Müdigkeit verspürt“, erklärt Amtsrichter Robert Schröter am Rande der Verhandlung. Insofern wäre es tatsächlich fahrlässig, sich ins Auto zu setzen - zumal ein Unfall im Sekundenschlaf nicht immer so glimpflich ausgeht wie in dem verhandelten Fall.
Justiz geht von fahrlässigem Verhalten aus
Der anwaltlich vertretene Heiner L. war entsprechend aufgeregt vor seiner ersten Verhandlung, die am Ende keine wirkliche war. Denn Richter und Staatsanwaltschaft einigten sich recht schnell auf eine Einstellung des Verfahrens - unter der Auflage, dass Heiner L. innerhalb von sechs Monaten 1.000 Euro als Ausgleich für den beschädigten Baum zahlt.
Eine Lösung, mit der sich Heiner L. und sein Anwalt zufrieden zeigten. L. kann noch immer nicht verstehen, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Er selbst habe vor dem Aufprall keine Müdigkeit verspürt, und auch Unfallzeugen hätten nicht angegeben, dass er zuvor Schlangenlinien gefahren sei.
Die Pendelei zwischen Arbeitsstelle und Wohnort hat für Heiner L. aber ohnehin ein Ende. Er hat einen Arbeitsplatz in Aschersleben gefunden.
Angeklagter hat inzwischen einen Job in Aschersleben
Ein ähnlicher Unfall, der in der Öffentlichkeit für großes Aufsehen gesorgt hat, liegt schon ein paar Jahre zurück: Oberbürgermeister Andreas Michelmann weiß genau, wie es sich anfühlt, am Steuer kurz einzunicken.
Auch ihn hatte der Sekundenschlaf übermannt, als er in der Langen Reihe unterwegs war. Auch er war gegen einen Baum gefahren. Der OB hat seine Konsequenzen aus dem glimpflich ausgegangenen Zwischenfall gezogen: Er fährt kein Auto mehr. Er lässt sich fahren oder er reist mit der Bahn. (mz)