MZ-Serie Land und Leute MZ-Serie Land und Leute: Der Gründer-Urenkel erinnert sich genau

Gatersleben/Hausneindorf - „Wenn ich das sehe, bin ich daheim“, gesteht Dietrich Heucke und seine Augen leuchten. Der 80-Jährige ist ganz aufgeregt, als er von den beiden Dampfpflugsätzen spricht, die in Landshut und in Stuttgart ihre Heimat gefunden haben. Kipppflüge, die mit Hilfe von Wasserdampf ihre Furchen durch den Ackerboden ziehen.
Das Besondere an ihnen? Beide stammen aus der Dampfpflug-Fabrik seiner Familie, die 1867 in Hausneindorf gegründet wurde.
Land und Leute: Auf den neuen Maschinen rumgeturnt
„Als Kind bin ich auf den Maschinen herumgeturnt, die noch nicht ausgeliefert waren, die Angestellten haben mir immer alles gezeigt, mir sogar das Rechnen beigebracht“, erinnert sich der Urenkel des Gründers Andreas Heucke an die Zeit in den Maschinenhallen.
Erinnerungen, die er für seine Familie nun zusammengetragen hat. Und über die er auf Bitte seiner Verwandtschaft in Gatersleben einen Vortrag halten wollte.
„160 Gäste sind gekommen“, freut sich Katrin Menzel von der Gesellschaft zur Förderung der Kultur in Gatersleben, die immer wieder interessante Gastredner für solche Veranstaltungen verpflichten kann.
Land und Leute: Noch nie einen Vortrag gehalten
Für Dietrich Heucke, der inzwischen seit Jahren in Nürnberg lebt, ist das allerdings Neuland.
„Er hat noch nie einen öffentlichen Vortrag gehalten, abgesehen von den technischen Referaten auf Fach-Messen“, weiß seine Frau Gudrun, die extra für diesen großen Moment mitgekommen ist.
Als Unterstützung, Begleitung und bester Kritiker. Ihr Mann ist aber doch aufgeregt. Ein bisschen zumindest. Auch wenn er gut vorbereitet ist.
Land und Leute: Alle akribisch zusammengetragen
„Alles, was ich wusste, habe ich zusammengetragen“, erzählt der 80-Jährige. Die Bilder von den alten Heucke-Dampfmaschinen entstammen dabei einem Schatz.
„Die habe ich vom letzten Besitzer der Fabrik, von Benno Heucke, geschenkt bekommen. Zum zehnten Geburtstag. Es war ein Katalog von 1919. Sein letzter Besitz. Das war alles, was er nach der Enteignung noch hatte.“
Denn die 1867 in Hausneindorf gegründete Dampfpflugfabrik, die als Lohndruschbetrieb angefangen hatte, später die Dampfpflüge selbst baute und dann aus Platzgründen und wegen des Eisenbahnanschlusses zum Versenden der Maschinen in alle Welt 1907 nach Gatersleben zog, wurde nach dem Krieg enteignet und zum Volkseigenen Betrieb Baumaschinen Gatersleben.
Land und Leute: Mit der Familie in den Westen geflohen
„Bis 1950 habe ich in Hausneindorf gelebt, dann ist meine Mutter mit uns vier Kindern in den Westen geflohen, da war ich 13 Jahre alt“, erzählt der 80-Jährige.
„Wir hatten ja kein Einkommen mehr, mein Vater war verschleppt.“ Bis heute ist sein Schicksal ungeklärt.
Dietrich Heucke studierte Maschinenbau und Elektrotechnik, wurde Diplom-Ingenieur - und trat damit irgendwie wieder in die Fußstapfen seiner Vorfahren.
Inzwischen ist der Wahl-Nürnberger Rentner, hat mit seiner Frau Gudrun drei Kinder und fünf Enkelkinder. „Und alle ältesten Heucke-Kinder heißen Andreas, auch unsere Enkel - der Firmengründer war bereits der dritte, ich der sechste“, lacht Heucke.
„Und alle saßen schon voller Stolz auf dem Dampfpflug“, ergänzt seine Frau. Denn auch die Enkel wollen mit, wenn die beiden noch existierenden Exemplare aus Landshut und Stuttgart bei Feldtagen in Einsatz sind.
Land und Leute: Maschine in die Heimat zurückgekehrt
Erst im letzten Jahr war das anlässlich des Jubiläums der Hederslebener Agrargenossenschaft der Fall. Dorthin war die Landmaschine für einen Einsatz nach fast 90 Jahren wieder zurück in die alte Heimat gekehrt.
Klar war, dass Dietrich Heucke da gemeinsam mit einem Enkel selbst Platz auf dem Kipppflug nahm. Mit glänzenden Augen. „Er wird da immer ganz euphorisch“, weiß seine Frau, als sie die Bilder von diesem Abenteuer sieht. Und ihr Mann bestätigt: „Wenn ich das sehe, bin ich daheim.“ (mz)