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Mit Wein auf der Spur der Mönche

Von Petra Korn 05.11.2004, 18:36

Halle/MZ. - Falkenstein / Harz / MZ. Der Reifetest für die zarten Früchte wirkt fast ein wenig grob: Martin Wycisk schnappt sich ein paar Trauben, zerdrückt sie in der Faust und lässt den Saft auf die aufgeklappte Fläche eines Gerätes laufen, das aussieht wie eine Mischung aus Fernrohr und Taschenlampe. Martin Wycisk klappt das Gerät zu, hebt das Refraktometer - so der Name des Testgerätes - auf Augenhöhe und schaut prüfend hinein. "Wir haben 65 Öchsle", prüft er den Zuckergehalt. "Das ist für einen roten Wein gerade genug, um Wein daraus zu machen."

Der 23-Jährige, der sich Schritt für Schritt viel Wissen über die edlen Trauben und deren Verarbeitung angeeignet hat, sorgt dafür, dass nach Jahrhunderten auf der Konradsburg wieder Wein angebaut wird. "Es ist ein Hobby - mein einziges sozusagen neben dem Studium", schmunzelt der junge Mann, der auf der Konradsburg aufgewachsen und hier zu Hause ist und in dessen Händen die Hege und Pflege der Rebstöcke liegen.

Dass diese heute wieder an der Südseite der Burg wachsen, hatte sich eher zufällig ergeben. Als vor ein paar Jahren die Wand an der Terrasse des Wohngebäudes saniert wurde, war den hier Arbeitenden die ungewöhnliche Wärme in diesem Bereich aufgefallen. "Wir haben im Februar hier 30 Grad in der Sonne", schildert Martin Wycisk. Im Sommer zeigt das Thermometer oft die Temperaturen nicht mehr an, die dann über die 50-Grad-Marke geklettert sind. Zudem liegt der Hang sehr geschützt, wie in einer Art Schneise, an der sich das Wetter "teilt" und es damit wenig regnet. "Irgendwann habe ich gedacht: Das wäre doch schön für Wein", erzählt der Betriebswirtschafts-Student. Die "spontane Idee" wurde zügig umgesetzt: Insgesamt 30 Rebstöcke, geliefert von der Winzergenossenschaft aus Freyburg, bekamen ein Plätzchen an der Südseite der Burg - weißer Wein der Sorte "Müller-Thurgau" und roter der Sorte "Portugieser". Das war 1997. Damals wusste er eigentlich nicht viel über den Anbau und die Verarbeitung von Wein, bekennt Martin Wycisk. "Aber es gibt ja schöne Bücher", fügt der junge Mann lachend hinzu, der heute nicht nur die Trauben veredelt, sondern für den Förderkreis Konradsburg auch aus Holunder und Kirschen Wein herstellt, der dann weiterverarbeitet wird.

Doch zurück zum Jahr 2004: Das war nicht gerade ein Reben-Jahr. "Erst war es zu regenerisch, dann kam die Hitze und es war zu trocken. Bei uns hat es im Grunde genommen acht Wochen lang nicht geregnet", erzählt der Hobby-Winzer, während er behutsam eine der rot-blauen Trauben vom Rebstock abschneidet. Die Lese der "Portugieser" steht kurz vor dem Abschluss. Während die hellen Trauben längst geerntet sind, der künftige Wein schon am behaglich-wärmeren Ort vor sich hin blubbert, wird den roten Trauben, die immer ein bisschen mehr Zeit zum Reifen brauchen, Sonne bis weit in den Herbst hinein gegönnt. Behutsam dreht Martin Wycisk die Früchte hin und her. "Man muss schon aufpassen. Bei den Mengen, die wir hier verarbeiten, kann schon eine faule Traube den Wein verderben."

Die so bis ins Kleinste handverlesenen Früchte werden zerquetscht, "zermaischt". Während die helle Trauben-Maische gleich mit Hilfe der alten Weinpresse abgepresst werden kann, bleibt die rote erst noch drei Tage stehen, damit das edle Getränk auch seine Farbe bekommt. Den abgepressten Saft füllt Martin Wycisk in Ballons und gibt Hefe hinzu.

Nach mehrmaligen Abziehen und mit viel Geduld wird aus dem Traubensaft schließlich Wein. Der steht in den Ballons dann längst an einem kühleren, aber wohltemperierten Ort, der ebenso zufällig wiederentdeckt wurde, wie der Südhang der Burg als Weinanbaugebiet: Vor Jahren hatte sich auf der Wohnhaus-Terrasse plötzlich ein Loch gezeigt. Neugierig geworden, hatte man nachgegraben und war auf ein altes Kellergewölbe gestoßen. Das gehörte einst zum alten Abts-Haus des Klosters. Das wohl schon beim Abriss dieses Hauses mit Schutt verfüllte Gewölbe wurde - auch mit Hilfe des Internationalen Jugendcamps im Jahr 2000 - mühsam wieder freigelegt.

Und hier, im Gewölbekeller, prüft Martin Wycisk nun erstmals die Qualität des Weines, zu dem die im vergangenen Jahr gelesenen Trauben - die erste "richtige" Ernte - verarbeitet wurden: Vorsichtig füllt er ein Glas aus dem Ballon ab. "Konradsburg 2003" benennt der Student spontan das edle Tröpfchen und fügt hinzu: "Nach 450 Jahren das erste Mal wieder Wein von der Burg." 1525, so erläutert der 23-Jährige, ist die Klosteranlage, in der Benediktiner- bzw. Kartäusermönche arbeiteten und lebten, zerstört worden. "Die Mönche hatten garantiert einen Weinberg. Die Lage hier ist einfach toll."

Der Weinanbau am Südhang der Burg und "in Höhenlage - 236 Meter über dem Meeresspiegel", wie Martin Wycisk schmunzelnd sagt, wird wohl ein "Privatvergnügen", ein Hobby bleiben. Doch beabsichtigt ist schon, die Zahl der Rebstöcke - innerhalb der von EU-Richtlinien für einen Privatanbau festgelegten Grenzen - noch ein wenig zu erhöhen. "Wenn es gestattet wird, denn der Burghang ist auch ein Biotop", erläutert der Hobby-Winzer. Dabei: Wohl fühlt sich an der Burgwand nicht nur der Wein, dessen Wurzeln bis in 20 Meter Tiefe reichen. Zwischen den Rebstöcken hat längst auch eine eigene kleine Tierwelt ihr Plätzchen gefunden, erzählt Martin Wycisk, der hier beispielsweise schon Blindschleichen und Salamander beobachtet hat.