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Massentierhaltung in Schackenthal Massentierhaltung in Schackenthal: Bürgerinitiative will Legehennenanlagen verhindern

Von Uwe Kraus 11.03.2014, 15:25
Hühner in einem Stall
Hühner in einem Stall Archiv/dpa

Schackenthal - Auf den ersten Blick verbindet Kreis Cochem-Zell, Birresborn (Kreis Vulkaneifel) und Klaus Gerner, Heizungsbauer, Sanierer der Warmsdorfer Kirche und Frontmann der „Bürgerinitiative Saale-Wipper gegen Massentierhaltung“ kaum etwas. Auf den zweiten schon. Hier wie dort tobt der Kampf gegen geplante Legehennenanlagen.

Was ist der Ausgangspunkt?

An der L 65 zwischen Schackenthal und Bründel will die Betriebsgemeinschaft Schackenthal KG sechs Ställe mit 450 000 Legehennenplätzen bauen.

Der Antrag für die 2010 geplante Anlage bei Amesdorf wurde zurückgezogen. Warum gibt es erneut Ärger?

Klaus Gerner erinnert sich: „Die zuvor südlich von Amesdorf von der Betriebsgemeinschaft Schackenthal 2010 geplante Legehennenanlage mit 450 000 Tieren, wozu noch 150 000 Junghennen und 30 000 Schweine gehören sollten, führte zu solch massiven Protesten der betroffenen Bürger, dass letztlich der Antrag zurückgezogen wurde.“ Nun soll ein Stück weiter - bei Schackenthal - eine ähnliche Anlage entstehen. Der engagierte Tier- und Umweltschützer sieht deshalb das vor seiner Haustür abgewendete Problem mit „450 000 Legehennen jetzt zwei Kilometer nach Schackenthal verschoben“. Gerner befürchtet deshalb erneut Gestank und Luftschadstoffe, die laut Planung aus 60 Rohren zehn Meter hoch über die Ventilatoren steigen würden. Zudem verweist er auf „neue beängstigende wissenschaftliche Erkenntnisse, die gesundheitsschädigende Einflüsse der Massentierhaltung belegen. Der nachgewiesene massive Einsatz von Antibiotika in Massentierhaltungen führt zu lebensgefährlichen multiresistenten Keimen.“

Im Landtag von Niedersachsen, einem Kernland der Geflügelzucht, wird die Streichung der Privilegien für Tierfabriken und kommunale Mitbestimmung diskutiert, um bäuerliche Landwirtschaft zu stärken. Es gehe um eine Abschaffung der baurechtlichen Privilegierung für „industrielle Tier-Großstädte“. Das rheinland-pfälzische Umweltministerium spricht sich in einer Stellungnahme „gegen industrielle Massentieranlagen“ und für eine bäuerliche Landwirtschaft aus. Rheinland-Pfalz hat sich im Bundesrat eingesetzt, das privilegierte Bauen großer Ställe im Außenbereich einzuschränken. (uk)

Sind die Unterlagen einsehbar?

Jedermann könne bis 8. April Einwendungen machen. Die Auslegung der Antragsunterlagen in Alsleben, Aschersleben, Güsten und im Landesverwaltungsamt Halle bis 25. März 2014 droht laut Ger-ner aber „zu einer Behörden-Farce zu verkommen.“

Wie steht der Ascherslebener Stadtrat zu diesem neuen Projekt?

Das Gremium braucht zu dieser Frage nicht einbezogen zu werden, weil der Flächennutzungsplan nicht geändert werde.

Gundel Jahn, Stadträtin der Grünen, hatte sich bereits im August 2013 um Detailinformationen zu dem Vorhaben gekümmert. Ihr Grundtenor schon damals: Eigentlich halte sie neue Legebatterien schlicht für überflüssig, zumal der deutsche Absatzmarkt für Eier gesättigt sei. Nun sei mit dem Genehmigungsverfahren des Landesverwaltungsamtes und der öffentlichen Auslegung der Unterlagen das Projekt wieder da. Jahn hat Stadtplanerin Ria Uhlig bei der jüngsten Stadtratssitzung dazu befragt. Die habe die Zustimmung der Stadt zum Bauvorhaben bei Schackenthal bestätigt, da alle gesetzlichen Auflagen vom künftigen Betreiber erfüllt werden. Dabei handelt es sich um eine „privilegierte Anlage“. Die benötige nach deutschem Recht weder die Zustimmung des Stadtrates noch ein besonderes Planungsrecht. Sie befinde sich außerhalb der Wohngebiete, anfallende Rückstände werden auf eigenem Gelände entsorgt.

Gibt es trotzdem etwas, was der Rat tun wird?

Gundel Jahn, die wenig Hindernisse für die Betreiber von der Betriebsgemeinschaft Schackenthal sieht, meint: „Ich kann den Bürgern jedoch versichern, dass wir die ausliegenden Dokumente genau anschauen werden. Dabei ziehen wir Spezialisten hinzu, die mit derartigen Anlagen bereits zu tun hatten.“ Zudem bewege die Grünen-Politikerin, dass hier die Eier für osteuropäische Staaten produziert und per Kühllaster nach Polen gebracht werden, um sie dort billig zu verkaufen. „Obwohl das Land eine funktionierende Landwirtschaft besitzt, aber die Einheimischen auf Billigprodukte aus dem Westen zurückgreifen müssen.“

Wie wird die Stadtverwaltung in die Planung einbezogen?

Die Stadt Aschersleben hat, wie sie auf MZ-Nachfrage darstellt, nur die planungsrechtliche Zulässigkeit nach Baugesetzbuch und Baunutzungsverordnung zu beurteilen sowie Hinweise zu geben. Die Ortslage Schackenthal ist von der geplanten Anlage 1 300 Meter entfernt. Eine Lärm- oder Geruchsbelästigung für die Wohnbebauung ist nicht zu erwarten.

„Als Stadt hatten wir in unserer Stellungnahme außerdem gefordert, dass das Unternehmen die Niederschlagsbeseitigung noch einmal prüft. Im Hinblick auf die großflächige Versiegelung der Anlage und die bekannten Probleme mit Überschwemmungen in Schackenthal war uns dies ein wichtiges Anliegen,“ heißt es in der Stellungnahme.

Das geplante Vorhaben liegt nach dem Regionalen Entwicklungsplan im Vorranggebiet für Landwirtschaft. Die nötigen Voraussetzungen erfüllt die Betriebsgemeinschaft Schackenthal mit ausreichend eigenen landwirtschaftlichen Nutzflächen. „Die Stadt kann hier keine subjektive Sicht vertreten, ob eine solche Anlage mit 450 000 Tieren ethisch-moralisch wünschenswert wäre oder nicht. Wir haben allein die Zulässigkeit von Gesetzes wegen zu beurteilen,“ fügt Stadtsprecherin Anke Marks an.

Wer sind die künftigen Betreiber?

Nancy Packeiser von der Betriebsgemeinschaft Schackenthal erläuterte im MZ-Gespräch, dass der Planungsprozess im Rahmen der Gesetze laufe. Das Landesverwaltungsamt hat die nötigen Dokumente zusammengestellt. Nun habe jeder Bürger die Möglichkeit, darin Einsicht zu nehmen. „Das ist ein normaler demokratischer Prozess der Mitwirkung.“ Schade finde sie, dass Klaus Gerner seit Gründung der Bürgerinitiative gegen die Projekte 2010 jegliches Gesprächsangebot der Betriebsgemeinschaft ignoriert habe.

Marcus Horsch, Mitgesellschafter der Betriebsgemeinschaft Schackenthal, verweist auf das lange Prüfungsverfahren des Landesverwaltungsamtes nach der Einreichung seines Antrages am 5. Juni 2013. „Sollte es noch Lücken, ob bei uns oder in den Hallenser Unterlagen, geben, werden wir die schließen. Dazu ist das Einspruchsverfahren ja gedacht. Alles, was aufgenommen wird, erfährt eine Bewertung.“

Wie stehen die Bürger dazu?

Mitgesellschafter Marcus Horsch bietet den Bürgern an, zu klärenden Gesprächen auf die Betriebsgemeinschaft zuzukommen. „Dabei könnte viel kursierender Unsinn aus der Welt geschafft werden.“

Bisher interessierte sich für die öffentliche Auslegung übrigens noch niemand. Daher moniert Klaus Gerner mangelnden Widerstand und die Tatenlosigkeit der Ascherslebener. (mz)

Klaus Gerner (r.) engagiert sich gegen die geplanten Anlagen.
Klaus Gerner (r.) engagiert sich gegen die geplanten Anlagen.
Frank Gehrmann/Archiv Lizenz