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Schiess am Abgrund Maschinenbaubetrieb in Aschersleben: Die Schiess AG steht wegen Insolvenz in Eigenverwaltung wieder am Abgrund

Von Marko Jeschor 26.01.2019, 14:55
Schiess liefert Maschinen auf hohem Niveau. Dennoch bangen die Mitarbeiter um ihre Zukunft.
Schiess liefert Maschinen auf hohem Niveau. Dennoch bangen die Mitarbeiter um ihre Zukunft. Archiv, Gehrmann

Aschersleben - Die Nachricht von der Insolvenz des Maschinenbauers Schiess in Aschersleben erwischte am Freitag viele völlig unvorbereitet. Selbst der Betriebsrat war bis zur Verkündung bei einer Mitarbeiterversammlung am Mittag nicht im Bild.

Entsprechend groß war danach der Unmut. „Eine Insolvenz in Eigenverantwortung heißt, dass man auf die eigenen Ressourcen zurückgreift. Dazu gehört, dass man den Betriebsrat von Anfang an ins Boot holt“, sagte Betriebsrat Frank Seifert.

Er bezeichnete das Vorgehen des bisherigen Geschäftsführers Dongyan Mei als Beleidigung. Denn dass es ernsthafte Probleme gebe, das sei vielen Kollegen in den vergangenen Monaten schleichend deutlich geworden.

Generalbevollmächtigte Tobias sieht zwei Möglichkeiten

Während die Belegschaft noch informiert wurde, verbreitete das Unternehmen bereits einen vorläufigen Plan, wie der traditionsreiche Maschinenbau-Standort in Aschersleben trotz finanzieller Schieflage gerettet werden soll.

Der neue Generalbevollmächtigte Robert Tobias von der Beratungsgesellschaft „Restrukturierungspartner“ ließ erklären, vorstellbar sei sowohl ein Vergleich mit den Gläubigern als auch eine Investorenlösung; also ein Verkauf. „Welcher Weg erfolgversprechend ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.“

Firma plant in Zukunft weniger Großprojekte

Klar ist bisher nur, dass der Maschinenbauer künftig wohl die Finger von größeren Aufträgen lassen will. Die weniger rentablen und kapitalintensiven Großprojekte sollen zurückgefahren werden, hieß es. Schwerpunkt sollen vielmehr innovative Maschinen und das Retrofit-Geschäft sein, mit denen eine konstante Auslastung erzielt werden könne. Dabei werden bestehende Anlagen nach- oder umgerüstet.

Stemmen sollen die Veränderungen die rund 220 verbliebenen Mitarbeiter in Aschersleben. „Wir produzieren in vollem Umfang weiter und erfüllen alle unsere Aufträge weiter pünktlich und in gewohnter Qualität“, so Tobias. Die Löhne seien über das Insolvenzgeld bis Ende März gesichert. Gezahlt wird das von der Agentur für Arbeit.

„Wir produzieren in vollem Umfang weiter”, sagt der Generalbevollmächtigte Tobias

Anders als bei einem normalen Insolvenzverfahren trifft das Unternehmen selbst die Entscheidungen. Allerdings wird das Ganze vom Halleschen Insolvenzverwalter Lucas Flöther überwacht. Er wurde vom zuständigen Amtsgericht Magdeburg als sogenannter Sachwalter eingesetzt. Er hatte sich zuletzt bei der Rettung von Air Berlin bundesweit einen Namen gemacht.

Flöther sagte laut der Mitteilung von Schiess, die Firma verfüge über erstklassige und innovative Produkte, eine moderne Fertigung, hochqualifizierte Mitarbeiter und einen hochkarätigen weltweiten Kundenstamm.

Das seien gute Voraussetzungen, um die Restrukturierung abzuschließen. Ob die am Ende weitere Arbeitsplätze kosten könne, wurde nicht gesagt. Dabei steht die Frage im Raum, schließlich verlor fast ein Drittel der 350-köpfigen Belegschaft bei der letzten Insolvenz 2012 ihren Job.

Betriebsrat spricht von versäumten strategischen Entscheidungen der Geschäftsführung

Das Engagement von Flöther gibt auch Betriebsrat Seifert neue Hoffnung. „Das ist ein kleiner Lichtblick.“ Denn die bisherige Geschäftsführung habe es versäumt, strategische Entscheidungen zu treffen. Dabei befasse sie sich seit mindestens eineinhalb Jahren mit der Frage, wie Gewinne gesteigert und neue Geschäftsfelder erschlossen werden können.

Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft IG Metall. Der zuständige Gewerkschafter Axel Weber sagte laut einer Mitteilung: „Die aktuelle Insolvenz ist das Produkt aus Unbelehrbarkeit und Ignoranz in der Führungsetage.“

Während die Beschäftigten und die Produktpalette Weltklasse sei, seien Sanierungsmaßnahmen nach der Entlassung von 97 Mitarbeitern im Jahr 2012 ausgeblieben. Dennoch werde die IG Metall alles daran setzen, den Standort zu erhalten.

Detlef Gürth: Schiess braucht weltmarktfähige Geschäftsführung

Der Landtagsabgeordnete Detlef Gürth (CDU) erklärte dagegen, der chinesische Eigentümer habe viel Geld in den Standort und die Entwicklung hochmoderner Technologien investiert. „Die Produkte sind weltmarktfähig.“ Der Maschinenbauer brauche jedoch eine weltmarktfähige Geschäftsführung.

Gürth sagte weiter, Entscheidungen müssten vor Ort getroffen werden und nicht in einigen Tausend Kilometern Entfernung. Er fordert schnelle und verlässliche Aussagen, um das Know-how am Standort zu halten.

Ascherslebens Stadtverwaltung zeigte sich am Freitag ebenfalls geschockt von der Nachricht. „Das ist für die hoch qualifizierten Mitarbeiter und den Standort dramatisch“, sagte der stellvertretende Oberbürgermeister Michael Schneidewind.

Stadt und Kreis wollen das Unternehmen unterstützen

Hintergrund: Schiess gehört zu einem der größten Arbeitgeber der Stadt. Man habe zwar seit einiger Zeit gehört, dass es Probleme gebe, von der Insolvenz habe man jedoch aus der MZ erfahren. Die Wirtschaftsförderung werde nun nach Kräften unterstützen.

Ähnlich klang auch Landrat Markus Bauer (SPD). „Ein wirtschaftliches Scheitern wäre ein schmerzhafter Verlust für den Landkreis.“ Er hofft daher, dass alle Verantwortlichen zu einer tragfähigen Nachfolgeregelung finden. Die Kreisverwaltung werde ihren möglichen Beitrag jedenfalls leisten. (mz)