Maria Lukaschek aus Aschersleben Maria Lukaschek aus Aschersleben: Mit 85 Jahren ins Fitnessstudio

Aschersleben - Die Maschinen rütteln, der Schweiß rinnt. Ein junger Mann drückt kiloschwere Hanteln von seinem Körper weg. Inmitten der Szenerie läuft Maria Lukaschek im bunten Trainingsanzug zügig auf einem Laufband. Zweimal die Woche ist sie hier im Ascherslebener Gesundheitszentrum in der Weststraße. Nutzt Ausdauer- und Kraftgeräte und besucht Fitnesskurse. Nichts Ungewöhnliches, wäre Maria Lukaschek nicht schon 85 und fitter als einige 30-Jährige.
Man kennt die Seniorin im Gesundheitszentrum. Unter den 1.100 Mitgliedern ist sie die älteste Frau und seit 2002 dabei. Junge Männer begrüßen sie mit Handschlag und Umarmung, eine junge Dame bestellt ihr Grüße aus ihrem Bekanntenkreis. „Das ist hier wie eine zweite Familie“, sagt Lukaschek.
Seit 2002 im im Gesundheitszentrum dabei
„Nachdem mein Ehemann vor zwei Jahren verstorben ist, waren hier alle für mich da. Das werde ich nicht vergessen.“ Zunächst habe sie sich damals zurückgezogen, doch Einrichtungsleiter Steffen Fleischer habe sie motiviert, sich nicht aufzugeben und weiterhin zum Sport zu kommen. Mitglied ist sie eher durch Zufall geworden. Vor vierzehn Jahren gewann sie bei einer Verlosung eine vierwöchige Gratis-Mitgliedschaft. Neben ihren regelmäßigen Saunagängen entdeckte sie später auch das Gerätetraining für sich.
Die Gesellschaft der anderen Mitglieder tut ihr gut. „Alle sind so hilfsbereit. Es gibt immer jemanden, der mich hierher fährt und wieder nach Hause bringt“, sagt Lukaschek. Dabei falle es ihr gar nicht so leicht, auf jemanden angewiesen zu sein. Zeitlebens war die 85-Jährige zielstrebig und eigenständig. Bis in die 1980er Jahre hat sie für den Ermslebener Technikproduzenten Tonfunk gearbeitet.
Mutter nahm polnische Staatsbürgerschaft an
Zunächst in der Produktion, dann als Telefonistin und später in der Verwaltung. Die Leiden ihrer Vergangenheit haben sie allerdings bis heute immer wieder eingeholt. Ihre Arbeit musste sie deshalb einige Jahre vorm Renteneintritt beenden. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam sie als 14-Jährige in der Nähe ihrer Heimat, dem polnischen Oppeln, ins berüchtigte Arbeitslager Lamsdorf. Eine Zeit, die von Gewalt und Hungerleiden geprägt war.
Lukascheks Mutter nahm die polnische Staatsbürgerschaft an, um ihre Kinder befreien lassen zu können. Um eine Ausbildung zu finden, lernte Maria Lukaschek im Anschluss ein Jahr lang in einer Abendschule Polnisch. „Als deutsche Minderheit sprachen wir nur ’Wasserpolnisch’“, sagt die 85-Jährige. „Damit hätte ich keine Arbeit bekommen.“
Lukascheks Vater galt nach russischer Kriegsgefangenschaft als verschollen. Über das Rote Kreuz hatte er jedoch seine Kinder Dorothea und Maria mit einem Radiobeitrag suchen lassen. Als er 1956 der Witwe eines gefallenen Kameraden in Ermsleben die Mitteilung über den Tod seines Kameraden überbrachte, erkannte die Witwe den Gesuchten. Ihr Haus in Ermsleben wurde die neue Bleibe des Vaters und seine beiden Töchter zogen nach.
Arbeit beim Tonfunk in Ermsleben
Im selben Jahr hat Maria Lukaschek auch ihre erste von zwei Töchtern geboren. Gemeinsam mit ihrem Mann Erich, mit dem sie bereits in Polen liiert war, hat sie sich im Laufe der Jahre ein eigenes Leben in dem kleinen Ort aufbauen können. „Meinem damaligen Chef bei Tonfunk bin ich sehr dankbar, dass er uns Flüchtlinge angestellt hat“, sagt die 85-Jährige. Ein Thema, das sie gerade in der heutigen Zeit noch beschäftige.
Trotz aller Hürden hat die Seniorin ihren Lebenswillen nicht verloren. 2008 ist sie mit ihrem Mann von Ermsleben nach Aschersleben gezogen. Ihrer Ermslebener Frauensportgruppe ist sie noch lange treu geblieben. Ihre beiden Töchter wohnen ganz in ihrer Nähe und unterstützen sie bei Erledigungen. In deren Garten hilft sie zum Dank noch immer gerne mit. Ihre drei Enkel und vier Urenkel umsorgt sie, so oft es geht. „Leider wohnen die nicht alle in der Nähe“, sagt Lukaschek etwas betrübt.
Täglich wird die Trainingsmatte ausgerollt
Zu Hause rollt die Seniorin ihre Trainingsmatte trotz einer Knochenschwund-Erkrankung täglich aus und turnt die Übungen aus dem Gesundheitszentrum nach. „Gerade bei Osteoporose sollte man nicht auf Bewegung verzichten“, sagt die Ascherslebenerin mahnend. Das bestätigen ihr auch ihre Ärzte und Trainer.
Bei den Rückenkursen nehme Trainer Iven Olsen speziell auf die älteren Teilnehmer Rücksicht und gebe auch andere Übungsmöglichkeiten vor. Auch in ihrer Wohngegend im Ascherslebener Italienerviertel bewundert man ihre Sportlichkeit, wie die Seniorin erzählt: „Meine Nachbarn sagen immer, dass ich selbst zum Müllcontainer im Tempo einer jungen Frau laufe." (mz)