Chirurgin im Ruhestand Lindenstraße in Aschersleben: Chirurgin Karin Bäumlein geht in den Ruhestand

Aschersleben - „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.“ Die Liedzeile von Udo Jürgens zitiert Karin Bäumlein schmunzelnd, wenn sie nach dem Alter gefragt wird. Doch sie trifft es. In der letzten Woche ist die Allgemeinchirurgin aus Aschersleben vom Medizinischen Versorgungszentrum der Helios-Kliniken Eisleben und Hettstedt in den Ruhestand verabschiedet worden. Ihre Praxis in der Lindenstraße wird von Michael Pohl weitergeführt.
Karin Bäumlein will sich nun Hobbys widmen. Dem Musizieren auf Violine und Klarinette, das sie seit zwei Jahren an der Musikschule Lampadius erlernt, oder dem Wandern. Ihr fehlen 29 Stempel, um ein Harzer Wanderkaiser zu werden, der alle 222 Stempelstellen der Harzer Wandernadel erreicht hat.
Zum Abschied gab es Wolle und Stricknadeln als Geschenke
Und wird sie stricken? Schließlich überreichte ihr MVZ-Chefin Bettina Fritsche zum Abschied Wolle und Stricknadeln. „Das werde ich mit Sicherheit nicht machen“, stellt Karin Bäumlein klar. Auch wenn sie das in der Schule gelernt hatte.
Dann lieber etwas mehr Tennis beim SV Grün-Weiß spielen oder Sport im Gesundheitszentrum treiben. Ihre Söhne (36, 40) haben sie zur fünffachen Oma gemacht. Zeit für die Enkel ist nun auch.
Mit Dr. Bäumlein verlässt die letzte Gründerin der Eigentümergemeinschaft des Ärztehauses in der Lindenstraße ihre Praxis. Im August 1994 war die seit 1991 selbstständige Chirurgin in den Neubau eingezogen.
„Montags kamen immer die ganzen Fußballer, im Herbst die Kleingärtner, die vom Pflaumenbaum gestürzt sind“, umschreibt sie das Spektrum ihrer Patienten. Im Winter bei Glatteis ausgerutschte Menschen, im Sommer mal ein Kreissägeunfall, Menschen mit verletzten Sprunggelenken, Verrenkungen, Knietraumata beim Teamsport waren ihr täglich Brot. „Wir hatten nie Langeweile.“
„Montags kamen immer die verletzten Fußballer”
Karin Bäumlein machte kleinere operative Eingriffe unter örtlicher Betäubung, wie an der Hand oder bei Hautveränderungen, mittwochs selbst. Für größere Operationen mit Anästhesisten war der Patientenandrang zu groß. Die Nachsorge nach größeren Operationen und die ganze Breite der Sportverletzungen waren ihr Gebiet. Es lief richtig gut. Seit 1991 arbeitete die Chirurgin mit den Mitarbeitern zusammen. „Ein eingespieltes Team ist Grundvoraussetzung.“
„Das Handwerkliche hat mich gereizt“, begründet sie den Berufswunsch als Chirurgin. Und was das schönste war? „Ich denke, man hat in dem Fachgebiet schnellere Erfolgserlebnisse, als vielleicht in der Inneren Medizin.“
Dem Studium in Jena folgte Facharztausbildung in Aschersleben
Karin Bäumlein stammt aus Thüringen. Sie ist in Sonneberg aufgewachsen. Dort hat sie auch ihren Ehemann kennengelernt. Von 1971 bis 1976 studierte sie in Jena Medizin und machte dann in Aschersleben die Facharztausbildung. Damals in der Allgemeinen Chirurgie, bei der sie blieb, obwohl sich viele Chirurgen spezialisierten.
Ihr Mann war Biologe in Gatersleben. Bis zum Frühjahr 1989 arbeitete sie im Kreiskrankenhaus Aschersleben, zuletzt als Fach- und Oberärztin. Dann wurde sie Leiterin der chirurgischen Poliklinik in der Bürgerstraße, wo sie nach der Selbstständigkeit bis 1994 blieb.
Selbstständigkeit nach 1994 brachte viele Veränderungen
Die Selbstständigkeit, die Investitionen bereiteten anfangs Bauchschmerzen. „Viel Arbeit, viel Neubeginn, große Anstrengung, kleine Wunder - alles war dabei“, beschrieb Bettina Fritsche bei der Verabschiedung diese Zeit ihrer Kollegin.
„Frau Dr. Bäumlein war eine Institution in Aschersleben“, urteilte Dr. Jan Wieland, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie der Helios-Klinik. „Für mich ist es beeindruckend, wie die letzten Allrounder in der Allgemeinen Chirurgie es geschafft haben, ihre Arbeit allumfassend zu leisten.“
„Frau Dr. Bäumlein war eine Institution in Aschersleben“
Was heute anders ist als früher? „Jeder hat jetzt sein Spezialgebiet“, sieht sie einen Unterschied. Früher gab es zudem eine breitere Ausbildung. „Es ist eigentlich schade, dass die Allgemeine Chirurgie aussterben wird.“
Gerade in der Niederlassung sei man gefordert, da man neben der Allgemeinchirurgie die Bauchchirurgie verstehen und Unfallchirurgie beherrschen müsse, um Röntgenaufnahmen befunden zu können.
„Ich habe noch viel vor“, kündigt Karin Bäumlein an. Hausmusik mit ihrem Mann? Vielleicht. Die medizinischen Kenntnisse wird sie natürlich nicht ad acta legen. Seit zehn Jahren ist sie Rennärztin in der Motorsportarena Oschersleben. Mit einem Reiseveranstalter will sie außerdem als Reiseärztin noch weltweit ein- oder zweimal pro Jahr unterwegs sein.
(mz)