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Leute von Nebenan Leute von Nebenan: General bringt Bier für Wohnwagen

Von Jochen Miche 15.07.2002, 20:10

Freckleben/MZ. - "In der Kirche bin ich schon ewig nicht mehr." Gerhard Schieweck sagt das, als sei es das Normalste von der Welt, nicht in der Kirche zu sein. Gemeint ist natürlich die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der Christen, für die man üblicherweise monatlich einen Beitrag bezahlt.

Anders ist es mit dem Kirchengebäude, und zwar dem Frecklebener. Nicht nur, dass er hier im Jahr 1948 konfirmiert wurde, dass er alljährlich in den Heiligabend-Gottesdienst und manchmal auch zum Erntedankfest geht, nein, Herr Schieweck wohnt auch noch unmittelbar neben der Kirche in der Arnstedter Straße 1.

Die Kirche, genauer gesagt ihr Umfeld, hat den 68-Jährigen nie los gelassen. "Ich kann es nicht sehen, wenn das Gras meterhoch steht", erklärt er seine Arbeit an dieser Stelle. Deshalb kümmert er sich seit rund 30 Jahren - damals zog er hier her - um den Kirchgarten.

Hier wächst und gedeiht es, erfreuen in dieser Jahreszeit viele Blumen die Augen der leider nur sehr wenigen Gottesdienstbesucher und herrscht allgemeine Ordnung. Jüngst hat er sich einen neuen Rasenmäher für das Areal rund um die Kirche zugelegt - das Mähen mit der Sense, zumal an einem Hang wie diesem, kann einem Rentner schon zur Last werden.

Gerhard Schieweck und seine Frau Anneliese haben natürlich auch ihr eigenes Heim in Ordnung. Haus und Stall haben eine frische und freundliche Fassade, das Wohnhaus bedeckt ein neues Ziegeldach. An der Giebelseite des Stalles zum Leute von nebenan

Dorfplatz hin leuchtet das kräftige Grün wilden Weins, den Schieweck vor drei Jahren pflanzte, und der, so meint er, "wie wild wächst".

Von Beruf ist Schieweck Tischler. Erst vor wenigen Monaten wurde sein alter Lehrbetrieb in Drohndorf weggerissen. 1948 hatte er hier seine Lehre begonnen. 1951 ging er als Geselle nach Aschersleben zur Firma Billing, 1954 wechselte er zum VEB Fahrzeugbau, in dem zuvor Möbel produziert worden waren. Später arbeitete er in der Karosseriewerkstatt, wo Einrichtungen für Autos entstanden.

Zu seinen besonderen Erinnerungen gehört die an einen Stabskommandowagen für den DDR-General Heinz Hoffmann. "Der kam sogar persönlich, um zu gucken, was wir da bauten. Er war sicher zufrieden, deshalb schickte er einmal Bier vorbei. Das haben wir uns schmecken lassen", erinnert sich der Tischler lachend. Der Kommandowagen habe einem heutigen Wohnmobil geähnelt. Dort gab es mit rotem Kunstleder bezogene Sessel, in der Mitte einen großen Kartentisch und an den Wänden Schränke.

Noch vor der Wende habe er als Invalidenrentner seinen Beruf aufgeben müssen. Die Hände in den Schoß gelegt hat er deshalb trotzdem nie. Wenn es zu Hause nichts zu tun gibt und ihn auch der Junge, der in Aschersleben zu Hause ist, nicht braucht, dann sieht er im Kirchgarten nach dem Rechten. Hier ist ihm allerdings das Eingangstor, das er seit langem nur noch mit einer Kette und einem Vorhängeschloss sichert, ein Dorn im Auge ist. Es hängt an einem schiefen Pfeiler. Er sagt: "Ich habe seit zwei Jahren Farbe stehen, um das Tor zu streichen. Aber es müsste erst mal gerade gerückt werden, damit sich das Streichen lohnt." Bis es soweit ist, wird er vermutlich noch manche Kanne Wasser auf die Blumenbeete gekippt und eine Menge Unkraut gezupft haben.