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Leute von nebenan Leute von nebenan: Der Eiermann vom Unterharz

Von Detlef Anders 09.04.2004, 15:08

Siptenfelde/MZ. - In dieser Woche ist Hochsaison. Normalerweise verkauft Andreas Jost in Harzgerode, Siptenfelde, Straßberg, Nachterstedt und Bad Suderode jede Woche über 10 000 Eier. In den letzten Tagen kamen noch einmal 10 000 bunte Eier dazu. Ostern ist Eierzeit. Und da kaum noch jemand die Zeit hat, selbst Eier zu färben - viele haben keine Kinder oder ihnen ist der Aufwand bei den teuren Eierfarben zu groß - boomt das Geschäft.

Andreas Jost war früher Tierpfleger in der LPG Siptenfelde. Als er 1990 kurzarbeiten musste, kam ein Bekannter und fragte ihn, ob er nicht Lust hätte, nebenbei Eier zu verkaufen. Im Harzgeröder Neubaugebiet stellte er sich zuerst vor und seitdem wuchs der Kundenstamm. Am 21. Mai 1991 machte er sich ganz selbstständig.

Andreas Jost bekommt die Eier zwei Mal wöchentlich aus Welbsleben. Die Hühnerfarm liefert oder er holt die Eier selbst ab. Zwar gibt es dort auch Eiermänner, doch Jost ist der einzige selbstständige Eiermann. Meist kaufen seine Kunden Eier aus Freiland- und Bodenhaltung, aber auch aus Käfighaltung sind Eier im Angebot. "Die schmecken auch nicht schlechter, nur die Haltungsform ist anders", bekennt der Fachmann. "Geschmack hat nur etwas mit Futter zu tun."

Weil das Geschäft mit den Eiern brummte, hatte sich Jost 1995 sogar einen Stall in Straßberg und 1 000 eigene Hühner angeschafft. "Einmal hatte ich 980 Eier an einem Tag." Doch weil die ganze Familie darin eingebunden war, er es körperlich nicht mehr schaffte und er Ärger mit den Nachbarn hatte, gab der Eiermann die eigene Hühnerhaltung nach fünf Jahren wieder auf. Neben Eiern verkauft Andreas Jost aber auch Nudeln, Gemüsekonserven, Kartoffeln und Zwiebeln aus Westerhausen oder Kuchen.

Auf seinen Touren erlebt der Siptenfelder Eiermann eine ganze Menge. "Die Leute erzählen, was sie für Probleme haben. Ich bin so ein kleiner Seelentröster." Momentan haben seine Kunden eine ganze Menge Probleme. Ob Ärger über Zuzahlungen beim Arzt oder Arbeitslosigkeit in den Familien, Krankheiten und Alleinsein, Andreas Jost kann zuhören. "Die sind richtig erleichtert danach und sie kommen immer wieder." Doch auch zum Scherzen ist Andreas Jost oft aufgelegt. In Nachterstedt sagte ihm erst in dieser Woche jemand: "Kommen Sie noch lange, damit wir was zum Lachen haben."

Jost pflegt seine Eierkunden wie Gold. "Sie sind ja meine Existenz." Wenn es jemandem schlecht geht, bekommt er auch mal ein buntes Ei geschenkt. Als er selbst einmal krank war und sein Schwager ihn vertreten musste, kamen so viele Genesungswünsche, dass die Heilung fast umgehend erfolgte. Die genaue Kundendatei hat Andreas Jost im Kopf. Eine elektronische Kasse oder einen Taschenrechner gibt es in der mobilen Verkaufsstelle nicht. Das Wechselgeld liegt in Margarinedosen und gerechnet wird im Kopf.

Obwohl die Preise nicht viel höher sind als im Supermarkt kann Andreas Jost vom Eierverkauf leben. "Die Masse macht es", erklärt er und gesteht "reich werden kann man dabei nicht." Von sieben bis zwölf und von 15 bis 20 Uhr ist der Eiermann unterwegs. 500 Kilometer wöchentlich "on the Road". Manch Dankeröder oder Neudorfer wünschte sich den Eierservice auch, doch mehr als die jetzigen Stammkunden, zu denen auch viele Gaststätten gehören, kann er nicht bedienen. Aus dem einst schüchternen Familienvater, der Bäcker gelernt hatte, ist ein selbstbewusster sympathischer Verkäufer geworden. "Seine Freundlichkeit ist nicht mit Geld zu bezahlen", meint Jannette Buchmann.