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Laden(be Laden(be)hüter: Firma Reifenservice Walthart: Seit 35 Jahren keine Zeit für Urlaub

Von Harald Vopel 05.02.2016, 09:19
Karl-Heinz Conrad denkt noch längst nicht ans Aufhören.
Karl-Heinz Conrad denkt noch längst nicht ans Aufhören. Harald Vopel Lizenz

Aschersleben - Wenn die Luft plötzlich raus ist, dann weiß Karl-Heinz Conrad was zu tun ist. Schon seit 56 Jahren gehört er zum sprichwörtlichen Inventar in der Firma Reifenservice Walthart in der Ascherslebener Geschwister-Scholl-Straße. Dort hat er den Beruf des Vulkaniseurs gelernt, hat seinen Meister gemacht, war Abteilungsleiter und ist leitender Geschäftsführer geworden. Auch heute noch - mit immerhin 77 Jahren - schmeißt er den Laden wie eh und je.

Geschäfte eröffnen, wechseln ihren Standort oder schließen für immer. Und doch gibt es sie noch - die Ascherslebener Traditionsgeschäfte. Die, in denen schon Generationen eingekauft haben und die schon immer dort zu finden waren, wo sie auch heute noch sind. Die MZ spürt diese Geschäfte auf, spricht mit den heutigen - und vielleicht auch früheren - Inhabern und stellt die Geschäfte den Lesern im Rahmen der Serie „Laden(be)hüter“ vor. Sollten Sie, liebe Leser, ein solches Geschäft kennen, sagen Sie es uns. Wir sind unter der Telefonnummer 03473/7990250 erreichbar.

Hinter der bis auf den heutigen Tag eher unscheinbaren Fassade des Grundstücks verbarg sich bis 1954 eine Schreinerei, bevor es von Werner Seifert übernommen wurde, der hier, gegenüber der damaligen Zuckerfabrik und dem heutigen E-Center eine Vulkanisierwerkstatt mit einem Service und Handel rund um den Reifen einrichtete. Als es dem damaligen Firmenchef in der DDR zu eng wurde und er in den Westen flüchtete, wurde der Betrieb kurzerhand verstaatlicht und Teil des VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung. Und Instand zu setzen gab es genug: Reifen von Sackkarren, Mopeds, Pkw, kleinen und großen Lastern, Treckern, Mähdreschern und Baufahrzeugen aller Art.

Bis zu 16.000 Kunden pro Jahr gaben sich bei Karl-Heinz Conrad und seinen Mitarbeiter die Klinke in die Hand. Zu ihnen zählten Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG), Bau- , Forst-, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, Polizei, Feuerwehr, der Rat des Kreises , aber auch jede Menge Privatkunden. „Die standen an manchen Tagen schon Stunden bevor um 7 Uhr geöffnet wurde vor dem Tor“, erinnert sich Karl-Heinz Conrad.

Einst gab es Extra-Geschäftszeiten

Extra-Geschäftszeiten habe es seinerzeit auch gegeben: dienstags, am späten Nachmittag. Dann rückten die Schüler der Ascherslebener Polizeischule mit ihren Privatfahrzeugen an. Das hätten er und der damalige Leiter der Schule so vereinbart. „Damit die Polizeischüler am Wochenende sicher nach Hause kamen“, resümiert der heutige Geschäftsführer.

Dabei steht Karl-Heinz Conrad die Begeisterung für seinen Beruf geradezu ins Gesicht geschrieben. Lebhaft erzählt er davon, als im Jahr 1964 die ersten DDR-Radialreifen auf den Markt kamen und er sich bei den Pneumant-Werken in Riesa weiterbilden musste. Genau wie in späteren Jahren in Halle, Berlin und Neubrandenburg. Dann kam das Ende der DDR und aus dem volkseigenem Betrieb wurde das Privatunternehmen Reiferservice Walthart. Conrad übernahm die Geschäftsführung und hält seit dem die Fäden in der Hand. Dabei stehen ihm heute noch drei Mitarbeiter zur Seite.

Mangelnde Kundschaft ist kein Problem

Zu DDR-Zeiten waren es bis zu 17. Über mangelnde Kundschaft könne er sich bis auf den heutigen Tag nicht beschweren - und die Kunden kämen nach wie vor aus der näheren, aber auch weiteren Umgebung. Neben Reparaturen, Runderneuerungen und Verkauf werden längst auch Pannenhilfe und Abschleppdienst angeboten. Und nach wie vor vertraut die Polizei den Männern um Karl-Heinz Conrad ihre Fahrzeuge an.

Wie sehr der mit seiner Arbeit verbunden ist, zeigt, dass er seit 35 Jahren nicht in den Urlaub gefahren ist. Dafür schaut er an jedem Sonntag in der Firma nach dem Rechten. Und wenn der 77-Jährige doch einmal für kurze Zeit entspannen will, dann wandert er in Stangerode durch den Wald oder greift zum Akkordeon und spielt Melodien von seinem Musiker-Idol Ernst Mosch. Und das alles soll so lange so bleiben, wie es die Gesundheit erlaubt. (mz)

Laden(be)hüter Karl-Heinz Conrad „Reifen-Conny“.
Laden(be)hüter Karl-Heinz Conrad „Reifen-Conny“.
Harald Vopel Lizenz