Kinderarzt in Aschersleben Kinderarzt in Aschersleben: 50 Jahre im Arztkittel

Aschersleben - Die Kinder von damals dürften heute gut und gerne Großeltern sein. Wie viele Jungen und Mädchen Dr. Dieter Vollmann im Kindergarten untersucht, ihnen die Schulreife bescheinigt und später in der Schule weiterbetreut hat? Er weiß es nicht, doch es müssen Zehntausende gewesen sein, die er als Kinder- und Jugendarzt des Kreises Aschersleben von 1972 bis Ende 1990 unter seinen fürsorglichen Händen hatte.
Noch heute, genau 50 Jahre nach seinem Berufsstart, arbeitet der 74-Jährige stundenweise als Haus- und Kinderarzt in der Praxis an der Vorderbreite/Hinterbreite. Am Mittwochmorgen kamen viele, die gar keine Beschwerden, dafür aber Blumen und Glückwünsche im Gepäck hatten. Klingende Grüße überbrachten Kinder aus dem Christlichen Kindergarten. Die Überraschung der kleinen Sänger und Tänzer trieb Tränen der Rührung nicht nur in die Augen von Dieter Vollmann, sondern auch in die der Praxisschwestern und der Kollegin Swetlana Holodniak.
Die Kinder- und Hausärztin führt die Praxis seit einigen Jahren und sie schätzt Dieter Vollmann als zuverlässigen, feinfühligen Kollegen. „Ich bin glücklich, dass ich mit ihm arbeiten darf“, sagt sie, während sie beobachtet, wie ihr ehemaliger Chef sich zu den Kindern hockt und sich spontan in den Tanz einreiht. Für sie ist es ein Phänomen, wie der erfahrene Mediziner nicht nur mit den kleinen Patienten, sondern auch mit deren Eltern umgeht, um sie zu beruhigen.
Dieter Vollmann wurde 1941 in Endorf im damaligen Kreis Hettstedt geboren. Nach dem Besuch der dortigen Einraum-Dorfschule ging er bis 1956 in die Schule nach Wieserode und legte sein Abitur 1960 in Ballenstedt ab.
In Leipzig studierte er Medizin und promovierte dort auch. 1966 begann er seine ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus Aschersleben, 1971 legte er die Facharzt-Prüfung zum Pädiater ab.
1972 wurde er Kreisjugendarzt bis 1991. Danach ließ er sich als praktischer Arzt nieder. 2012 übergab er seine Praxis an Swetlana Holodniak.
„Er sagt das Gleiche zu ihnen wie ich, aber mit ganz anderer Wirkung“, staunt sie zuweilen über die ruhige, ausgleichende Art des Mannes, der am 1. September 1966 mit klopfendem Herzen und dem Kittel in der Tasche seinen ersten Arbeitstag im Aschersleber Krankenhaus antrat. Damals noch mit dem Ziel, Chirurg zu werden.
Als dort Anfang 1967 eine Kinderabteilung unter Leitung von Dr. Wolfgang Nietzsch öffnete, entschied er sich für die Kinderheilkunde als Wahlpflichtfach. Zum guten Einvernehmen mit dem jungen Chef kamen interessante Fälle und eine zunehmende Vertrautheit mit den Kindern. Die Entscheidung für eine Facharztausbildung in der Kinderheilkunde fiel daher folgerichtig. Die drängende Bitte aus dem Rat des Kreises, vorübergehend als Kreisjugendarzt zu arbeiten, erfüllte er anfangs nur widerwillig.
Helfen, Probleme zu lösen
Als Behördenarzt zu arbeiten, fand in seinen Augen zu wenig Wertschätzung. Sehr bald spürte er aber auch in diesem Bereich Befriedigung, wenn er in seiner Funktion helfen konnte, soziale Probleme zu lösen. „Auch damals gab es Familien am Rande der Gesellschaft, die dringend Hilfe brauchen. Ich war froh, wenn ich für solche Kinder etwas erreichen konnte“, sagt er. Ausgleich und einen anderen Blickwinkel zur täglichen Routine fand er in der Mitarbeit am „Institut für Hygiene des Kinder- und Jugendalters“ in Berlin.
Aus den angepeilten zwei Jahren im Amt wurden 18, und inzwischen war er überzeugt vom Wert der Arbeit, die er und seine Kolleginnen in der Fürsorge und im vorbeugenden Gesundheitsschutz leisteten. Als es nach der Wende zu Strukturveränderungen kam, wollte er sich manches „nicht einfach überstülpen lassen“.
Es gab Enttäuschungen und Konfrontationen. Und die Erkenntnis, dass die Niederlassung auf Dauer wohl die bessere Wahl für ihn sei. Es folgte die Ochsentour für den damals 50-Jährigen mit Kreditanträgen, bürokratischen Hürden und Grundstückssuche. Und es galt zu lernen, ökonomisch zu denken. Nach einer Zwischenstation in der Bahnhofstraße eröffnete er seine Praxis als praktischer Arzt im April 1995.
Dass es schwierig würde, einen Nachfolger zu finden, wusste er. Deshalb bezeichnet er es als Glücksfall, dass Swetlana Holodniak eines Tages bei ihm anklopfte. Seit 2012 ist sie die Inhaberin, und seit kurzem arbeitet auch Claudia Lohmüller stundenweise mit. Dass Dieter Vollmann nach wie vor praktiziert, liege daran, „dass die Praxis ein Stück unseres Lebens ist“, sagt er. In das „uns“ schließt er seine Frau mit ein, die neben Haushalt, Kind und Berufstätigkeit auch die Abrechnung übernommen hat.
Schwester Romy, die als Lehrling bei ihm anfing, schätzt Dieter Vollmann vor allem wegen seiner ruhigen, konsequenten Art. Immer habe er auf Weiterbildungen bestanden, seine Mitarbeiter gefördert und sich Neuem nicht verschlossen. Stets habe er „alles im Griff“ gehabt. Sie ist überzeugt: „So einen wie ihn finden Sie nicht nochmal.“ (mz)