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Hochwasserschutz Hochwasserschutz: Vom Bauland zum Unland

Von Uwe Kraus 28.11.2013, 18:22
Gerhard Erfuth aus Freckleben erhebt Einspruch gegen die Katalogisierung von hochwassergefährdeten Gebieten in der Region Aschersleben. Er fürchtet, dass die betroffenen Grundstücke wertlos werden.
Gerhard Erfuth aus Freckleben erhebt Einspruch gegen die Katalogisierung von hochwassergefährdeten Gebieten in der Region Aschersleben. Er fürchtet, dass die betroffenen Grundstücke wertlos werden. MZ Lizenz

Freckleben/MZ - Die Wipper fließt träge dahin. Von ihrer Überschwemmungskraft ist kaum etwas zu ahnen. Doch Gerhard Erfurth und seiner Familie könnte das Wasser bald bis zum Hals stehen. „Ich habe nichts gegen Hochwasserschutz, aber was hier passieren soll, halte ich für höchst bedenklich“, meint er im Gespräch mit der MZ. Das Landesverwaltungsamt erarbeitet derzeit umfangreiches Kartenmaterial zur Veranschaulichung von Überschwemmungsgebieten. Für das Überschwemmungsgebiet der Eine ist das Kartenmaterial fertig.

Eingriff in die Rechte von Grundstückseigentümern

Grundlage sind Berechnungen gemäß des Wasserhaushaltsgesetzes. Als Überschwemmungsgebiete werden Flächen festgesetzt, in denen statistisch einmal in 100 Jahren ein Hochwasserereignis zu erwarten ist. Vor zwei Monaten veröffentlichte das Amtsblatt des Landkreises die Festlegungen zum Überschwemmungsgebiet Wipper. Während die Bevölkerung kaum davon Kenntnis nahm, erheben Gerhard, Beate und Udo Erfurth aus Freckleben Einspruch dagegen. Grundtenor: Die Festsetzung des Überschwemmungsgebietes ist mit der Eigentumsgarantie aus Artikel 14 Grundgesetz unvereinbar, weil sie in enteignender Weise in Rechte als Grundstückseigentümer eingreift.

Denn dort dürfen bauliche Anlagen weder errichtet noch erweitert werden. Auch eine landwirtschaftliche oder gärtnerische Nutzung sei nur mit Einschränkungen möglich. Grünland darf nicht mehr umgebrochen werden, Misthaufen seien unzulässig, selbst das Pflanzen von Obstgehölzen ist an Wenn und Aber gebunden. „Freilich kann die Behörde Ausnahmen zulassen. Ob sie das tut, liegt in ihrem Ermessen“, weiß Gerhard Erfurth. „Wohin das führt, ist absehbar: Voll erschlossene Grundstücke verkommen vom Bauland zum Unland, weil Auflagen das Bauen verteuern. Die betroffenen Grundstücke werden damit praktisch wertlos, weil unverkäuflich und nicht zu beleihen.“

Zugleich bleiben aber die Lasten, die zu tragen sind: Ausbaubeiträge, Gebühren und Grundsteuer. Darüber hinaus drohen den Anwohnern erhöhte Beiträge zur Versicherung der „gefährdeten“ Gebäude.

Siedlungsgebiete sollen Hochwasserrückzugsflächen werden

Erfurths werfen den Behörden vor: „Um den Schutz der Menschen, die seit Generationen an der Wipper leben, geht es offensichtlich nicht. Im Gegenteil: Diese Menschen werden weit mehr geschädigt, als es das Hochwasser bislang vermocht hat.“ So werden auch Flächen erfasst, die seit Menschengedenken noch kein einziges Mal überschwemmt waren. In Freckleben siedeln Menschen seit mehr als 1.000 Jahren am Ufer der Wipper. Es könne doch nicht angehen, so Erfurth, „dass ausgerechnet solche uralten Siedlungsgebiete jetzt als Rückzugsflächen herhalten sollen“. Er plädiert für Retentionsflächen außerhalb von Orten und rät, der Kanalisierung der Wipper durch Begradigung und Uferbefestigung Einhalt zu gebieten. „Denn diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass ein friedlicher Mittelgebirgsbach zum reißenden Strom werden kann.“ Und sie würden nebenbei eine außergewöhnlich schöne Flusslandschaft zerstören, obwohl die Wipper europäischen Schutzstatus genieße.

Die Begründung, es gehe um die Umsetzung der Richtlinie 2007/60/EG, deren Ziel es ist, hochwasserbedingte Risiken für die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und die wirtschaftliche Tätigkeit zu verringern und zu bewältigen, werfe die Frage auf, „ob ein Fall von Gesundheitsgefährdung durch ein Wipperhochwasser bekannt ist“. „Umwelt“ sei ein dehnbarer Begriff. Doch letztlich macht Umweltschutz nur dann Sinn, wenn der Mensch und der Schutz seines Lebensraumes sowie seiner wirtschaftlichen Existenz im Vordergrund steht. Zum Kulturerbe zählen auch und gerade die über viele Jahrhunderte gewachsenen Siedlungsbereiche.