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Hilfe für Bedürftige bei der Volkssolidarität Hilfe für Bedürftige bei der Volkssolidarität: Die Aschersleber Speisekammer

Von Kerstin Beier 29.01.2016, 16:44
Brigitte Bruchmüller und Wolfram Borth freuen sich über Unterstützung des Netto-Marktes. Chefin Melanie Ebeling (Mitte) hilft beim Laden.
Brigitte Bruchmüller und Wolfram Borth freuen sich über Unterstützung des Netto-Marktes. Chefin Melanie Ebeling (Mitte) hilft beim Laden. F.Gehrmann Lizenz

Aschersleben - Morgens kurz nach 7 in der Ascherslebener Speisekammer: Jetzt ist noch Zeit für ein Käffchen, ein paar private Worte, ordnende Handgriffe in den zwei kleinen Räumen an der Ecke Staßfurter Höhe/Weststraße. Diese dienen als Ausgabestelle von Lebensmitteln für Bedürftige. Für alle also, deren Budget so schmal ist, dass sie Unterstützung dankbar annehmen. Die acht Frauen - ausschließlich Ein-Euro-Kräfte und Ehrenamtliche - warten auf Wolfram Borth und Yvonne Brüggemann, die gerade die erste Tour fahren. Zwölf Supermärkte und Verkaufsstellen gehören derzeit zu den festen Partnern der Speisekammer, die von der Volkssolidarität betrieben wird.

Feste Ansprechpartner

„Der Fahrer kommt“, ruft Renate Krause, die Frauen öffnen das Fenster und nehmen die Kartons und Kisten entgegen, die Wolfram Borth hereinreicht. Brot und Brötchen sind dabei, die er gleich an seiner ersten Station im „Backwerk“ erhalten hat. Ein Aufkleber an der Tür weist das Geschäft in der Breiten Straße als Partner der Speisekammer aus.

Wolfram Borth ist nach drei ABM „nicht weggekommen“ von der Speisekammer, schwingt sich nun ehrenamtlich hinters Lenkrad. „Die Leute in den Geschäften brauchen einen festen Ansprechpartner“, sagt er. Seine Chefin Brigitte Bruchmüller, die die Speisekammer leitet, sieht das genauso. Die Verantwortlichen in den Supermärkten kennen und vertrauen dem Fahrer, „für diese Arbeit kann man nicht jeden nehmen“, findet sie. Kaum ist abgeladen, machen sich Fahrer und Beifahrerin schon wieder auf den Weg. Die Zeit drängt etwas, denn bis gegen 11.30 Uhr müssen die Lebensmittel an Ort und Stelle sein. Um 12.30 Uhr öffnet die Ausgabe, doch schon jetzt, Stunden vorher, stehen die ersten Männer und Frauen vor der Tür.

Zwiespalt zwischen Scham und Freude

„Eigentlich ist das nicht nötig, aber etliche kommen immer an einem festen Tag und nutzen ihren Besuch hier als Kommunikationspunkt“, sagt Brigitte Bruchmüller, die die meisten ihrer Kunden längst kennt. Einmal pro Woche können sich alle, die einen entsprechenden Ausweis haben, Lebensmittel abholen. Die helfen manch einem, über den Monat zu kommen. Wie sehr, weiß auch Birgit Freier. Sie hat noch bis Ende März einen Ein-Euro-Job bei der Speisekammer und stand bis vor kurzem selbst regelmäßig in der Schlange vor dem kleinen Ausgabefenster. „Ich habe ganz lange gebraucht, bis ich das erste Mal hergekommen bin“, erinnert sich die gelernte Biologielaborantin an das Gefühl von Scham, aber auch an die Freude, wenn sie nach dem Besuch in der Speisekammer neben Obst und Gemüse auch ab und zu Wurst, Eier oder Butter vorfand. „Das hat schon geholfen“, sagt sie.

Ganz kostenlos sind die Lebensmittel übrigens nicht. Mit den Einnahmen von 1,50 Euro pro Erwachsenem und einem Euro pro Kind finanziert die Volkssolidarität einen Teil des Unterhalts für das Fahrzeug und der Betriebskosten für die Ausgabestelle.

Keine Lebensmittel vernichten

Derweil ist das Fahrzeug am Netto in der Mehringer Straße angekommen. Filialleiterin Melanie Ebeling und ihre Kolleginnen haben schon zwei Kisten mit Obst, Gemüse und Molkereiprodukten bereitgestellt. Für Frau Ebeling ist es selbstverständlich, noch gut Verwendbares an die Speisekammer abzugeben. Auch das E-Center am Seegraben zählt seit vielen Jahren zu den verlässlichen Partnern der Speisekammer. „Wir wollen einfach keine Lebensmittel vernichten“, begründet Marktleiterin Katrin Wuttke das Engagement aller E-Center für die Tafeln. „Es tut einem in der Seele weh, noch gute Lebensmittel wegzuwerfen“, sagt sie. An die Speisekammer gehen Brot, Brötchen, Obst und Gemüse vom Vortag, außerdem Feinkostlebensmittel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums. Mancher E-Center-Kunde verzichtet überdies auf sein Pfandgeld und wirft den Bon in eine Box. Auf diese Weise sind im vergangenen Jahr 700 Euro zusammengekommen, die in Form von Gutscheinen an die Speisekammer gehen konnten.

Inzwischen ist es kurz vor halb eins, die Schlange vor der Tür ist lang geworden. Ein wenig sorgenvoll blicken Viola Christen, Andreas Schulze, Eva Dinh Cong, Mandy Köthe, Monique Billert und ihre Kolleginnen auf die diesmal nicht ganz gefüllten Regale und hoffen, dass es für alle reicht. Wieviel sie verteilen können, ist von Tag zu Tag verschieden. Rund 300 Menschen werden wöchentlich von der Speisekammer unterstützt, „und wenn wir genügend zu verteilen haben, macht das auch richtig Spaß“, sagt Frau Bruchmüller und öffnet die Luke. „Heute ist es ein bisschen mau, aber irgendwie haben wir es immer geschafft.“

Wolfram Porth ist zurück von der ersten Tour und reicht die Körbe gleich durchs Fenster.
Wolfram Porth ist zurück von der ersten Tour und reicht die Körbe gleich durchs Fenster.
F. Gehrmann