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Bürgerforum Bürgerforum: Neudorfer wollte Lungenklinik kaufen

Von Detlef Anders 20.05.2003, 17:08

Neudorf/Harzgerode/MZ. - "Wir wollten ein bisschen alternativ leben, alles selber machen, Obst und Gemüse anbauen und Tiere halten", schilderte Ingrid Eimler. Mit der Landesversicherungsanstalt (LVA) wurde über eine Grundstücksteilung und den Kauf verhandelt, als plötzlich das Grundstück nur komplett verkauft werden sollte. Doch auch dafür interessierte sich die Familie Eimler. Sie hatten jemanden, der ein Hotelkonzept für das Haupthaus umsetzen wollte, wenn der Kaufpreis stimmt, erklärten sie, ohne konkreter zu werden. Ein Bauantrag für den Umbau der Gärtnerei sei schon in Arbeit gewesen. Doch nach der Bitte nach einem neuerlichen Verkehrswertgutachten hörte Roland Eimler seit Februar 2002 nichts mehr von der LVA. Sie zogen den Bauantrag zurück. Die Behauptung, dass niemand die Klinik haben wollte, sei unwahr, unterstrich der Kaufmann.

Andere Investoren, so will Eimler erfahren haben, seien "einer nach dem anderen kaputt gemacht" worden. So sei beispielsweise eine zweite Treppe als Fluchtweg gefordert worden, die vom Denkmalschutz abgelehnt worden sei. Hans-Peter von Hanstein, der Chef der Unteren Denkmalbehörde, bestätigte zwar eine Vor-Ort-Besichtigung mit einem Interessenten, von einer zweiten Treppe sei jedoch nicht gesprochen worden.

Eimler kann sich nicht vorstellen, dass ein Neubau zwischen den unter Denkmalschutz stehenden Bauhausobjekten genehmigt werden würde. Ein Neubau, so habe er erfahren, sei auf der Wiese unmöglich, weil es darunter einen alten Bergbaustollen gibt. Also müsste Wald gerodet werden: Während nicht weit entfernt von der Klinik die letzten Reste der Burg Anhalt, die dem Land Sachsen-Anhalt den Namen gaben, von den Baumwurzeln zerstört werden, weil sie nicht gefällt werden dürfen.

Hans-Peter von Hanstein hielt es gegenüber der MZ für möglich, dass dort früher Bergbau betrieben wurde. Ob neu gebaut werden könnte, müssten Baugrunduntersuchungen ergeben. Wenn das Land Eigentümer der Klinik werden sollte, wäre seine Behörde ohnehin nicht mehr zuständig. Dann wird die Obere Denkmalbehörde einbezogen.

Eine Zunahme von psychisch kranken Straftätern bezweifelte Eimler. Er stellte bei Internetrecherchen fest, dass diese Kliniken wie "Pilze aus dem Boden schießen". Die Ankündigung von 250 Arbeitsplätzen bei 200 Patienten bezeichnete er im Vergleich zu anderen Kliniken zudem als irreal. Es sei außerdem "Stimmungsmache" wenn drei Jahre vor der Inbetriebnahme angekündigt wird, dass 60 ungelernte Leute eingestellt werden. Auch stehe die Klinik nicht vor dem Verfall. Die undichten Dächer seien nach seinen Hinweisen vor zwei Jahren repariert worden, erklärt Ronald Eimler. Den angekündigten Arbeitsplätzen würden am Ende Entlassungen in der Tourismusbranche gegenüber stehen.

Diesen Aussagen widerspricht jedoch Franka Petzke, die Sprecherin des Sozialministeriums. Nachdem in Sachsen-Anhalt bis 1995 der Maßregelvollzug aufgebaut wurde, sind jährlich weiter steigende Patientenzahlen zu verzeichnen. Waren es 1995 noch 202 Straftäter, die in einer Forensischen Klinik untergebracht waren, so sind es am 31. Dezember 2002 bereits 365. Die Klinik in Uchtspringe ist für 210 Patienten ausgelegt und hat zurzeit 247 Menschen aufgenommen. Die Zahl der gegenwärtig 226 Mitarbeiter soll bis 2004 auf 265 bei einer Kapazität von weiterhin 210 Patienten aufgestockt werden, erklärte sie zur angezweifelten Zahl der Arbeitsplätze. Nicht alle Stellen seien jedoch gleich zu besetzen.

Die anfänglichen Bedenken der Bürger im Umfeld von geplanten Standorten des Strafvollzugs hält Franka Petzke für "normal". Negative Auswirkungen auf den Tourismus seien im Umfeld anderer Forensischer Kliniken jedoch auch nicht aufgetreten. In Königslutter, wo es jedes Jahr Tausende Touristen hinzieht, steht die Forensische Psychiatrie sogar in unmittelbarer Nähe des Kaiserdoms. An Hand einer ganzen Reihe von Standorten zieht sie das Fazit, dass zwischen der Existenz einer forensischen Klinik und der Tourismusentwicklung keine Zusammenhänge herstellbar sind, "weil es keinerlei Berührungspunkte gibt."