Aschersleben Aschersleben: Produktives Lernen ist die Rettung in letzter Schul-Not

Aschersleben/MZ - Für Lukas und Leon, beide 14 Jahre alt und Schüler der Ganztagsschule „Albert Schweitzer“, ist das Produktive Lernen vielleicht die Rettung. Lukas schätzt ein, dass er den Schulabschluss ohne diese Bildungsform wahrscheinlich nicht schaffen würde. „Ich habe Probleme in vielen Fächern“, sagt der freundliche Junge. Aber er weiß, dass ihm praktische Arbeit, anders als Schule, Spaß macht. Das hat er beim praxisorientierten Lernen, das für alle Schüler der Schule ab 7. Klasse obligatorisch ist, schon festgestellt. Dabei arbeitete er in einer Kfz-Werkstatt in Schackenthal und in einem Aschersleber Supermarkt. Bei Leon liegen die Probleme vor allem im Fach Deutsch. So wie Lukas und Leon geht es nicht wenigen Schülern. Das Produktive Lernen, für das man sich in diesen Wochen anmelden kann, ist manchmal der letzte Rettungsanker. Mit dem Produktiven Lernen haben Schüler der 8. und 9. Klassen die Chance, einen Hauptschulabschluss zu erreichen. Das Lernen bleibt ihnen mit dieser Schulform zwar auch nicht erspart, die Aufgaben orientieren sich aber sehr stark an der Praxis.
Produktives Lernen ist eine Bildungsform an Schulen der Sekundarstufe I und außerschulischen Bildungsprojekten. Allgemeinwissen, kulturelles Wissen sowie die Inhalte der klassischen Schulfächer dienen dem Verständnis der Praxis und der Bewältigung der Anforderungen, die sich aus der Tätigkeit ergeben. Produktives Lernen ermöglicht neben Allgemeinbildung in besonderem Maße Persönlichkeitsentwicklung in den Bereichen Sozialkompetenzen, Methodenkompetenzen, Entscheidungskompetenzen, Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein.
Nach einer sechswöchigen Orientierungsphase, in der sich die Schüler selbst und die neue Lernmethode kennenlernen sollen, folgt ein Wechsel von jeweils drei Tagen Praxis und zwei Tagen Schule. Jedes Schuljahr ist in drei Trimester eingeteilt, wobei die Schüler drei verschiedene Praxisbetriebe durchlaufen. In Aschersleben sind das zum Beispiel das IB Kinderhaus, Medimax, das E-Center, Elka, Gartenland, der B1 Baumarkt, das Autohaus Schmidt & Söhne und andere.
Schulleiterin macht sich von Anfang an für das Produktive Lernen stark
Die Sekundarschule „Albert Schweitzer“ war eine der ersten Schulen im Land, die sich dem Produktiven Lernen geöffnet haben. Das war 2002. Inzwischen sind es rund 20 Schulen landesweit, die das Angebot an die Schüler machen. „Das Kind muss allerdings wirklich wollen, ansonsten hat es keinen Zweck“, so Schulleiterin Katrin Jelitte. Sie macht sich von Anfang an für das Produktive Lernen stark. Denn: „Ich finde es nicht gut, junge Leute so perspektivlos aus der Schule zu entlassen. Und ein Hauptschulabschluss ist immer noch besser als gar kein Abschluss“, sagt sie. Es sei sogar schon vorgekommen, dass Schüler dann doch noch den Sprung in die zehnte Klasse geschafft haben. Das liege vielleicht daran, dass Teamfähigkeit, Kommunikation und Selbstwertgefühl bei den meisten enorm wachsen würden.
Die fünf Lehrerkollegen, die sich ausschließlich um das Produktive Lernen kümmern, haben bisher nur positive Erfahrungen gemacht. „Schüler, die in der Schule immer hinten dran waren, kommen bei den Praxispartnern oft gut an“, sagt Heike Wahle. Das sei gut fürs Selbstbewusstsein der Schüler. Es gehe für die Praxispartner nicht um Ausbildung, sondern um mehr Selbstständigkeit und um wichtige Kompetenzen wie Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Und da die Schüler ein Vierteljahr lang in den Betrieben arbeiten, sind sie meist gut integriert und bleiben - anders als in einem reinen, kurzfristigen Betriebspraktikum - keine Zuschauer. „Davon haben auch die Betriebe was, denn sie bekommen ein wenig Hilfe von den Schülern“, sagt Frau Wahle.
Im laufenden Schuljahr absolvieren 18 Schüler in der 9. und 19 Schüler in der 8. Klasse das Produktive Lernen. Und manchmal passen Schüler und Praxisbetrieb so gut zueinander, dass eine Lehrstelle draus wird. Laut Frau Wahle betrifft das in der jetzigen neunten Klasse immerhin zwei Schüler.
Nähere Informationen zum Produktiven Lernen gibt die Sekundarschule „Albert Schweitzer“ unter der Telefonnummer 03473/91 43 15.