Aschersleben Aschersleben: Böse Überraschung bei Schiess
aschersleben/MZ. - "Die Vorfreude auf Weihnachten ist komplett dahin", sagt einer der Betroffenen, ohne seinen Namen nennen zu wollen, und der Mann zuckt mit den Schultern. Der Ascherslebener Werkzeugmaschinenbauer "Schiess" entlässt zum Jahresende 97 von insgesamt 380 Mitarbeitern. Das Unternehmen ist in den vergangenen Jahren immer tiefer in die roten Zahlen gerutscht. Die Verluste haben sich auf gegenwärtig rund 110 Millionen Euro summiert, sagt Schiess-Aschersleben-Geschäftsführer Heiko Mattmann. Ein positives Geschäftsergebnis habe es zuletzt im Jahr 2007 gegeben. Danach sei es bergab gegangen.
Die desolate Lage des Unternehmens hat Mattmann am 22. November an die Spitze des Ascherslebener Unternehmens geführt. Er hat Torsten Brumme abgelöst und verstehe sich als ein Geschäftsführer auf Zeit - solange, bis das Unternehmen wieder in sicherem Fahrwasser sei. Brumme habe, so Mattmann am Montag diplomatisch, eine andere Aufgabe im vom chinesischen Gesellschafter geführten Unternehmen übernommen. Deutlichere Worte an die Adresse von Brumme fand am Vormittag der 1, Bevollmächtigte der IG Metall Sachsen-Anhalt, Detlev Kiel, als die von der Entlassung betroffenen Schiess-Mitarbeiter im Ascherslebener Bestehornhaus über die jüngste Entwicklung offiziell informiert wurden. "Eine unserer Forderungen in den Verhandlungen mit der Ascherslebener Geschäftsleitung und dem chinesischen Gesellschafter war, dass derjenige, der noch im Oktober den Medien ein Exponat als Glanzleistung verkaufte und gleichzeitig die brisante Lage kannte, den Standort Aschersleben verlassen muss", so Kiel. Damit unterstellt Kiel dem ehemaligen Geschäftsführer nicht zuletzt eine gehörige Portion an Mitschuld am derzeitigen Zustand des Ascherslebener Unternehmens. Allerdings hatte Brumme bereits zu diesem Zeitpunkt eingeräumt, dass es Entlassungen geben könnte. Von einem Abbau von 155 Stellen war die Rede.
Ursächlich soll der Einbruch von Aufträgen zum gegenwärtigen wirtschaftlichen Fiasko des Unternehmens geführt haben. Geschäftsführer Mattmann hat aber weitere Gründe ausgemacht. Zu unflexibel sei man bisher gewesen, man habe zu wenig Aufträge hereingeholt und es herrschte bei Schiess Aschersleben eine Mentalität, die dazu geführt habe, dass wichtige Entscheidungen möglichst schnell von einem Schreibtisch zum anderen weitergeschoben wurden. Und das in einer Situation, in der die weltweite Wirtschaftskrise für zusätzliche Probleme gesorgt habe. Klare Worte.
Und klare Worte richtete Mattmann am Montagnachmittag auch an diejenigen, die bei Schiess weiterhin beschäftigt bleiben: "Der schwere Weg hat gerade erst begonnen." Soll heißen, dass das Unternehmen noch längst nicht - auch nicht mit der Entlassung von 97 Mitarbeitern - aus dem Schneider ist. Auch wenn es so etwas wie einen Plan gibt. Nach dem sollen in Aschersleben künftig neue Werkzeugmaschinen entwickelt und deren Prototypen gebaut werden. Die Serien dieser Maschinen würden anschließend an anderen Standorten gefertigt. Der Bau von Großmaschinen soll ebenfalls in Aschersleben verbleiben. "Die Chinesen können ohne Schiess Aschersleben nicht", so der vielleicht sogar hoffnungsvolle Kommentar von Detlev Kiel.
Was der Satz von Schiess-Geschäftsführer Mattmann am Montag Nachmittag vor der verbleibenden Belegschaft bedeutet, dass Schiess in Zukunft so aufgestellt sein müsse, dass Aschersleben auch ohne - chinesischen - Gesellschaften überleben könne, bleibt erst einmal unbeantwortet.