Bei Bauarbeiten Über den Steinen Aschersleben, Ausgrabung, Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Baustelle, Wohnungsgenossenschaft Einigkeit
Aschersleben - Im Zentrum von Aschersleben haben Bagger in den vergangenen Monaten ganze Arbeit geleistet: Wo Über den Steinen bis vor kurzem noch mehrere Hofgebäude standen, befindet sich heute nur noch eine freie Fläche. Doch bevor hier neue Häuser hochgezogen und eine Tiefgarage gebaut werden sollen, richten sich alle Blicke erst einmal nach unten: in die Baugrube und damit weit zurück in die Vergangenheit der Stadt. Denn zwischen den schweren Baumaschinen, die den Weg für das jüngste innerstädtische Projekt der Wohnungsgenossenschaft Einigkeit frei gemacht haben, arbeitet seit einer guten Woche auch eine Grabungsmannschaft aus Halle.
Bauarbeiter stoßen auf Brunnen und Ofen
Anfang März stieß man bei Bauarbeiten zuerst auf die Mauern eines Brunnens, wenig später auch auf einen rechteckigen Ofen mit seitlicher Lehmverziegelung sowie mehrere Abfall- und Versorgungsgruben. Seither werden die Befunde von fünf Mitarbeitern des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt mit Schaufeln, Kellen und Pinseln freigelegt. Stück für Stück tragen die Grabungshelfer die Erde behutsam von den Objekten ab.
Bevor sie zur Untersuchung nach Halle transportiert werden, sollen sie in Aschersleben dokumentiert, fotografiert, vermessen, gezeichnet und beschrieben werden. Denn nach der archäologischen Untersuchung, die bei solchen Bauarbeiten vorgeschrieben ist, werden die Befunde dem künftigen Bauprojekt Platz machen müssen.
Bisher könne man noch nicht abschließend sagen, in welcher Epoche sie erbaut wurden, erklärt Grabungsleiter Ulf Petzschmann. Er geht jedoch davon aus, dass der Brunnen aus dem Hoch- bis Spätmittelalter stammt. Ebenso stünde noch nicht fest, ob Ofen und Brunnen zusammengehören oder unterschiedlichen Zeitaltern zuzuordnen sind. Nur weil beide Objekte nah beieinander gefunden wurden, muss das nicht bedeuten, dass sie auch zeitgleich entstanden sind.
In direkter Nachbarschaft zum derzeitigen Wohnungsbauprojekt der Wohnungsgenossenschaft „Einigkeit“ in der Straße Über den Steinen wurden die Archäologen bereits im Jahr 2010 fündig. In der Oelstraße wurde seinerzeit - ebenfalls im Vorfeld des Baus einer Wohnanlage der Wohnungsgenossenschaft - unter anderem eine eisenzeitliche Grabenanlage entdeckt.
Andere menschliche Lebenszeichen aus der Vergangenheit an der Ascherslebener Oelstraße datierten die Archäologen bei ihren Ausgrabungen 2010 in das späte Mittelalter (bis Anfang des 16. Jahrhunderts) bis in die Neuzeit. Damals hatte sich unter anderem auch an der heutigen Oelstraße das Brauereihandwerk niedergelassen. Darauf wiesen zahlreiche Funde hin.
Die Funde wie Brunnen, Eisgruben und Abflusskanäle konnten durch die akribische Suche von Bodendenkmalpfleger Manfred Kloppfleisch im Stadtarchiv mit mehreren Dokumenten in einen Zusammenhang gestellt werden. So mit einem Brief aus dem Jahr 1652. Darin wird der Verkauf eines Braukessels vom Steinschen Braubezirk an den Braubezirk Breite Straße für 152 Taler erwähnt.
Dass man bei Bauarbeiten auf derartige Befunde stößt, ist laut Petzschmann nichts Ungewöhnliches: „Bei Flächen, die relativ frei stehen und nicht tiefgründig bebaut sind, stehen die Chancen, etwas zu finden, meist gut.“ Bereits 2013 war man bei Bauarbeiten in der Aschersleber Altstadt auf Hausfundamente gestoßen, die aus dem Mittelalter stammten, im Mai 2015 wurde am Zippelmarkt 8/9 sogar ein Flusswassertunnel entdeckt, der im 18. Jahrhundert erbaut worden sein soll. Dieser war genutzt worden, um Trinkwasser von der Eine nach Aschersleben zu transportieren.
Reges Interesse in der Bevölkerung
Die aktuellen Funde stoßen währenddessen auch in der Bevölkerung auf reges Interesse. Rund um die Uhr würden Passanten am Bauzaun vor dem Gelände anhalten, um einen Blick auf die Ausgrabungsarbeiten zu werfen, berichtet Petzschmann. Die meisten seien wahrscheinlich auch neugierig darauf zu erfahren, ob die Freilegung der Befunde die Bauarbeiten beeinträchtigen würde.
Doch solche Befürchtungen seien unbegründet: Die Bauarbeiten sollen planmäßig fortgesetzt werden. Bis spätestens Ende des Jahres 2017 sollen auf dem Gelände drei Mehrfamilienhäuser mit 26 Wohnungen sowie eine Tiefgarage entstehen. Die Wohnungsgenossenschaft „Einigkeit“ investiert rund 4,8 Millionen Euro in das Bauvorhaben. (mz)