Allgemeinmedizin Allgemeinmedizin: In Aschersleben wieder Praxis gefleddert
Aschersleben/MZ. - Feierabend. Seit Anfang des Monats gibt es die Praxis des Allgemeinmediziners Dr. Dietmar Bachmann in der früheren Poliklinik Nord in Aschersleben nicht mehr. Aus gesundheitlichen Gründen ist der 62-jährige Arzt - ein Jahr vorfristig - in den Ruhestand gegangen. Zu seinem größten Bedauern habe er trotz großer Anstrengungen keinen Nachfolger für die Praxis finden können. Damit teilt Bachmann das Schicksal vieler Allgemeinmediziner im Land: Gehen sie in Ruhestand, schließen sich mangels Nachfolger die Türen der Praxen oft für immer.
Ein Trend, den der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, Dr. Burkhard John, bestens kennt. Zwar sei die Situation im Landkreis Aschersleben-Staßfurt mit einer 98-prozentigen Versorgung bei Allgemeinmedizinern heute längst noch nicht akut, dennoch mache er sich Sorgen, betont John. "Viele Mediziner sind heute über 60 Jahre alt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch sie in den Ruhestand gehen."
Und dann fehlt es an jungen, qualifizierten und vor allem motivierten Nachfolgern. Gründe dafür kann John viele nennen: Extrem hohen Arbeitsaufwand vor allem im ländlichen Bereich, stehe im Osten ein erheblich geringeres Einkommen als im Westen gegenüber.
So behandle ein Arzt der Allgemeindisziplin im Osten pro Quartal im Schnitt 1 000 Patienten, verdiene damit aber nur rund 77 Prozent des Honorars, das Westkollegen mit 800 bis 900 Patienten machen. "Mit mindestens zehn Prozent weniger Arbeit satte 23 Prozent mehr Umsatz", fasst John zusammen und nennt seine Lösung, um den Trend gen Westen zu stoppen: "Das Problem muss politisch so geklärt werden, dass die Krankenkassen die Osthonorare für eine gewisse Zeit über die Westhonorare anheben können." Nur so, ist sich John sicher, lasse sich der gegenwärtige Wanderungsstrom junger Ärzte wieder umkehren.
Überlegungen, die für Dr. Bachmann zu spät kommen. Eigentlich wollte der frühere Chef des Ambulatoriums Aschersleben kommendes Jahr noch das 30-jährige Jubiläum dort feiern, doch nun müsse er handeln, wirbt Bachmann vor allem bei seinen vielen Patienten für Verständnis für die Entscheidung. Eine gut gehende Praxis, wie Bachmann mit Blick auf 1 200 bis 1 300 Scheine pro Quartal unterstreicht. Ein Schein steht für einen im Quartal mindestens einmal behandelten Patienten.
Trotz dieser vergleichsweise guten Rahmenbedingungen habe sich kein Kollege als Nachfolger begeistern lassen, fasst Bachmann bitter zusammen. Zwar habe es seit Ende vorigen Jahres Verhandlungen und Gespräche mit mehreren potenziellen Interessenten gegeben - allein zum angestrebten Ziel führte keiner dieser Kontakte. Keine Chance für eine geordnete Einarbeitung des Nachfolgers, keine Möglichkeit für die ordentliche Übergabe von Praxis und Patienten. Diesen Monat wird die Praxis gefleddert - die Patienten bekommen ihre Akten.
So bleibt es aus Bachmanns Sicht bei einem wenig befriedigenden Finale einer Berufslaufbahn, die 1964 mit dem Examen begann. Nach einer kurzen Visite in Chemnitz ging Bachmann 1965 zusammen mit seiner Frau - einer Ascherslebenerin - nach Halberstadt, um dann 1973 dem Ruf in die Kreisstadt zu folgen. "In der damaligen Poli-Nord hörte der Chef auf." Dr. Bachmann wurde dessen Nachfolger und blieb dort fast drei Jahrzehnte.
Heute teilt Dietmar Bachmann das Schicksal seiner Frau. Dr. Erika Bachmann hatte viele Jahre in Mehringen praktiziert. Zum 1. Januar 2000 war sie in den Ruhestand gegangen. Seither ließen auch die Gemeinderäte von Mehringen nichts unversucht, einen Nachfolger zu finden. Zweieinhalb Jahre später, im Sommer 2002, steht der Fall Mehringen exemplarisch für den akuten Ärztenotstand auf dem flachen Land: Ein Nachfolger ist weiterhin nicht in Sicht.