50 Jahre Neu Königsaue 50 Jahre Neu Königsaue: Ort der Kindheit ausgelöscht
Neu königsaue - An dem großen Bauernhof in Königsaue hat Gesine Schnita gehangen. Auch ihre Töchter Ute und Adelheid. Die beiden Mädchen haben ihre Kindheit auf dem Land verbracht. Haben auf dem Hof gespielt, sind dort aufgewachsen und haben die Geburt ihrer Brüder Klaus-Ulrich und Norbert miterlebt. Doch diesen Ort gibt es nun nicht mehr. Vor 50 Jahren wurde per Ministerium entschieden, dass Königsaue dem Braunkohle-Abbau weichen muss. Laut Volkszählung von 1964 haben insgesamt 1 454 Einwohner ihre Heimat aufgegeben.
Gesprächsstoff fürs Abendbrot
Diejenigen, die nicht in der Landwirtschaft tätig waren, wurden nach Aschersleben umgesiedelt. Für sie wurde der Wohnkomplex in der Hecklinger Straße erweitert, das Königsauer Viertel entstand.
Für die, die in der Landwirtschaft tätig waren, wurde ein Ort aus dem Nichts erschaffen: Neu Königsaue. Etwa 90 Haushalte sind damals umgezogen. Auch Familie Schnita. Heute leben ein bisschen mehr als 300 Menschen in Neu Königsaue. Bis 2007 gab es einen Kindergarten, dort ist jetzt die Grundschule drin. Ein Altenpflegeheim entstand im gleichen Jahr in den Räumen der ehemaligen Polytechnischen Oberschule.
Vom 25. bis zum 28. Juni feiert Neu Königsaue sein 50-jähriges Bestehen. Als offizieller Gründungstag gilt der 28. Juli 1965. Der ursprüngliche Ort Königsaue wurde am 27. Juli 1753 gegründet. Friedrich II. legte einen See trocken, der sich einst an der Stelle befand. Neusiedler begannen dann das Ödland zu kultivieren, bis es dem Braunkohle-Abbau zum Opfer fiel. Durch eine königliche Order wurde der Name „Königsaue“ festgelegt.
Die Feierlichkeiten zum Jubiläum beginnen am Donnerstag, 25. Juni um 19 Uhr mit einer Festveranstaltung im Saal der Ortschaft. Gleichzeitig zum Ortsjubiläum feiert auch die Freiwillige Feuerwehr 120 Jahre.
Mit einem Fackelumzug geht es am Freitag, 26. Juni, durch Neu Königsaue. Die Gruppe „Tänzchentee“ spielt am Abend ein Open-Air Konzert.
Um acht Uhr früh wird der Spielmannszug Schadeleben am Samstag, 27. Juni, die Neu Königsauer aus dem Schlaf reißen. Nach dem Wecken, steht die Weihe der katholischen Kirchenglocken auf dem Plan, die Eröffnung der Heimatstube, Münzprägung, Festschrift und vieles mehr. Am späten Nachmittag wird der Gedenkstein auf dem Königsauer Platz eingeweiht. Bis in die Nacht soll dann getanzt werden, als Hingucker gibt es eine Feuershow.
Ein großer Festumzug wird sich am Sonntag, 28. Juni, im Ort präsentieren. Zum Abschluss des Festwochenendes werden zwei Ausstellungen zu 120 Jahre Feuerwehr und 50 Jahre Neu Königsaue eröffnet. Mit Familiennachmittag, Tanzmusik und Tombolaverlosung klingen die Jubiläumsfeierlichkeiten dann aus.
Norbert Schnita erinnert sich, dass die Umsiedlung oft Thema am Abendbrottisch war. „Meine Mutter hat den alten Ort vermisst“, sagt er. Im Gegensatz zu seinen Schwestern kann er sich nicht mehr an Königsaue erinnern. Seine Kindheit hat er etwa eineinhalb Kilometer weiter in Neu Königsaue erlebt. Dort ist er heute stellvertretender Ortsbürgermeister und Chronist. Wo einst seine Vorfahren landwirtschaftlich tätig waren, liegt heute ein See - der Königsauer See. Doch der überbaggerte Ort war viel größer als das Gewässer heute.
„Da bricht für einen die Welt zusammen“, sagt Schnita, als er sich in die Situation der Mutter hineinversetzt. Zehn Hektar Acker musste sie verkaufen. Für den Bauernhof gab es eine Entschädigung, von der ein neues Haus im neuen Dorf errichtet wurde. Auch wenn den Einwohner von Königsaue vermutlich ein Jahr vor der Umsiedlung bescheid gegeben wurde, so kann sich Schnita nicht vorstellen, dass es die Sache einfacher gemacht hat. „Meine Mutter hat immer wieder erzählt, dass der Zusammenhalt in Königsaue fester war als im neuen Ort.“
Gedenkstein für nächste Generation
Nicht nur jetzt, wo Neu Königsaue das Ortsjubiläum plant, ist die Umsiedlung wieder präsent. Schnita erzählt von Ehemaligen-Treffen und von seinen Schwestern. „Die beiden wohnen nicht mehr hier. Sie sind weggezogen. Und der Ort, an dem sie aufgewachsen sind und ihre Kindheit verbracht haben, ist von der Landkarte verschwunden.“
Nicht nur für seine Schwestern und ehemalige Königsauer ist es wichtig, den Ort nicht zu vergessen. „Für die folgenden Generationen möchte ich einen Gedenkstein aus eigener Tasche spendieren“, so Schnita. Er hofft, dass damit die Verbundenheit auch zu dem neuen Ort ausgedrückt werden kann. Er selbst fühlt sich als Neu Königsauer, sagt er. Vielleicht hat er sich auch gerade deshalb für das Amt des Ortschronisten interessiert. Seit 2004 schreibt er alles mit, was im Ort passiert und arbeitet die Vergangenheit auf. Im Sommer, wenn das Jubiläum gefeiert wird, gibt es auch eine Festschrift.
Als Königsaue überbaggert wurde, überlebten nur wenige Dinge. Die Glocken der evangelischen Kirche hat man mitgenommen. Die stehen vorm Friedhof in einem Glockenstuhl. Die der katholischen Kirche gibt es zum Jubiläum zurück. Sie entstammen dem Königsauer Gotteshaus von 1753 und wurden im Zuge der Umsiedlung der katholischen Gemeinde Frose überlassen.
Eine Heimatstube wird zurzeit aufgebaut, die soll im Sommer auch für Besucher zugänglich sein, sagt Ortschronist Schnita. Noch hängt es an der Renovierung - Ausstellungsstücke hat er schon. (mz)