Zwillinge da Mann weg Zwillinge da Mann weg: Die tragikomische Geschichte einer alleinerziehenden Mutter
Eine junge Frau wird mit Zwillingen schwanger – und der Mann haut vor der Geburt ab, weil er seine Ex-Freundin noch liebt. Das klingt so tragisch wie in einer Soap-Opera! Die wahre Geschichte von Katja Zimmermann, die sie in ihrem Buch „Esst euer Eis auf, sonst gibt’s keine Pommes“ erzählt, ist auf den ersten Blick alles andere als rosarot. Sie ist alleinerziehend – und zwar von Anfang an.
„Tut mir leid. Du musst das ohne mich machen.“
Der Leser wird auch direkt hinein katapultiert ins nacherzählte Trennungs-Gespräch, sozusagen den Moment des Weltuntergangs für die werdende Mutter, als der langjährige Partner einfach nur sagt: „Tut mir leid. Du musst das ohne mich machen.“ Statt aber nun ein tränenreiches Klagelied folgen zu lassen, beschreibt Katja Zimmermann diese fast schon absurde Situation flott, amüsant und ironisch - mit einem Pragmatismus und Optimismus, der fesselt. Man will diese Geschichte hören, und wissen, wie es ihr ergeht, so alleine mit zwei Babys.
Bevor ich mich versah, packte Jonas seine Sachen, gab Nele und Luis einen Kuss und verschwand aus unserem Leben, nicht ohne mir alles Gute zu wünschen und die Überzeugung zu äußern, dass seine Kinder und hoffentlich auch ich ihn irgendwann verstehen würden.
Das Buch erzählt in kurzen, lose aneinander gereihten Kapiteln Geschichten aus dem Alltag als Alleinerziehende. Von der Wochenbett-Zeit, als Freunde und Familie in Schichten bei der Baby-Betreuung helfen. Aber auch von ersten Dating-Erlebnissen: Als die Kinder morgens einfach ins Bett springen und der One-Night-Stand vor Schreck fast aus selbigem fällt. Von den Versuchen, Job und Muttersein zu vereinbaren, ohne im Burnout zu landen. Aber auch von den seltsamen Besuchen des sonst abwesenden Vaters, samt schwangerer Freundin. Und von den typischen Fremdschäm-Momenten der fast pubertären Kinder, die die unsportliche Mama furchtbar peinlich finden. Bei allem behält die Autorin eine Art heitere Distanz zum Geschehen und erzählt trotzdem warmherzig und wortreich.
Leiden meine Kinder, weil sie ohne Vater aufwachsen?
Hinter den Anekdoten wird aber sichtbar, wie sie mit Selbstzweifeln, eigenen Ansprüchen und Vorurteilen zu kämpfen hat. Sie schaut auf ihr Leben und fragt sich, welches Bild sie abgibt. Dazu gehören auch die Fragen: Was habe ich nur falsch gemacht, dass ich alleinerziehend wurde? Wie sehr leiden meine Kinder, weil sie ohne Vater aufwachsen?
Mich treibt etwas ganz anderes um, und zwar ein fettes Image-Problem. Alleinerziehende waren in meiner Vorstellung bemitleidenswerte Geschöpfe ohne gescheite Schulbildung und Perspektive, die von verantwortungslosen Typen ungewollt schwanger wurden.
Je mehr sie selbst als Alleinerziehende erlebt, desto mehr lösen sich ihre eigenen Vorurteile in Wohlgefallen auf. Sie merkt, dass sie von Ein-Eltern-Familien umgeben ist und lernt (im Treppenhaus) andere Alleinerziehende kennen, deren Geschichte sie jeweils kurz erzählt. Da ist Robert, der alleinerziehende Vater, der die Betreuung mit der Mutter teilt, die von Anfang an lieber Karriere machte. Da ist Regine, deren Ex-Partner schon in der Schwangerschaft aufs Baby eifersüchtig war. Zimmermann wirft so auch Licht auf die Situation von Alleinerziehenden an sich – die natürlich so individuelle Erscheinungsformen hat wie jede andere Lebensform.
So à la mode, wie manchmal behauptet, ist das Alleinerziehen nicht. Es ist fast immer eine Notsituation, wenn auch für viele die bessere Wahl.
Plädoyer für eine „unperfekte“ Elternschaft
Es geht dabei auch immer um den in den Himmel gehobenen Gegenentwurf zum alleinerziehend sein: die Ideal-Familie mit beiden Elternteilen – im Buch wird sie „Rama“-Familie genannt. Und um die Frage, inwieweit eine Person alleine das für ihre Kinder leisten kann, was Zwei-Eltern-Familien können. Im direkten Vergleich stellt die Autorin dabei aber amüsanterweise fest, dass gerade Paare oft viel zu viel Buhei um ihr Kind machen und alles furchtbar verkomplizieren. Auch im Versuch, es ganz richtig zu machen. Und sie merkt, wie oft der Schein trügt – gerade wenn es darum geht, als perfekte Eltern zu gelten. Zimmermann plädiert dagegen – wohl auch aus pragmatischen Gründen - für eine unperfekte Elternschaft.
Selbstgekochter Babybrei, selbstgeschrotetes Dinkelmüsli und eingekochte Biomarmelade? Dazu war mir meine Zeit definitiv zu kostbar. Als ich mit dem Stillen durch war, klingelte der Paketbote mehrmals die Woche und brachte Pakete mit Gläschen aus einer Drogeriekette. Meine Wohnung sah aus, als hätte Hurrikan Katrina nicht in New Orleans, sondern in Berlin-Mitte gewütet.
Dass das Leben als Ein-Eltern-Familie hart, schwierig und manchmal traurig ist, lässt Katja Zimmermann nicht aus. Konkrete Momente der Überforderung und Verzweiflung aber deutet sie nur kurz an. Immer schwingt sogleich eine Art Kampfgeist und Jetzt-erst-recht-Attitüde mit. Das unterhält und beschwingt und macht auch ein bisschen Mut. Und zwar allen Eltern - ob sie nun alleine, zusammen oder getrennt erziehen.
Buchtipp:
Katja Zimmermann, Esst euer Eis auf, sonst gibt's keine Pommes, Ullstein Verlag, 2017