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Zertifikate Zertifikate: Auch der Totalverlust droht

Von sebastian Wolff 11.05.2013, 14:46
Von der Lehman-Pleite waren auch viele deutsche Anleger betroffen.
Von der Lehman-Pleite waren auch viele deutsche Anleger betroffen. dpa Lizenz

berlin/MZ - Für Zehntausende deutsche Anleger war es ein gewaltiger Schock: Als im September 2008 die US-Investmentbank Lehman Brothers Pleite ging, mussten sie erfahren, dass sie ihr Geld verloren hatten – Geld, das sie in Zertifikate investiert hatten, die von der Lehman-Bank herausgegeben wurden. Denn mit der Pleite der Bank wurden diese Zertifikate schlagartig wertlos.

Unter den Leidtragenden waren viele, die fast ihre gesamten Ersparnisse in Lehman-Papiere investiert hatten, im Vertrauen darauf, eine absolut risikolose Geldanlage erworben zu haben. Denn Bankberater hatten ihnen die Zertifikate als „so sicher wie das Sparbuch“ verkauft.

Auch heute noch preisen Bankberater ihren Kunden Zertifikate an, ohne ihnen klar zu machen, dass sie im schlimmsten Fall einen Totalverlust erleiden. Denn Zertifikate sind sogenannte Inhaberschuldverschreibungen. Das bedeutet, dass im Pleitefall des Emittenten, anders als bei Spareinlagen oder Tages- und Festgeldern, der Einlagensicherungsfonds der Banken nicht einspringt und auch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgesprochene Garantie für die Einlagen von Privatanlegern nicht greift.

„Zertifikate sind manchmal Mogelpackungen“, warnt Thomas Mai, Experte für Geldanlagen bei der Verbraucherzentrale Bremen. So würde dem Anleger bisweilen vorgegaukelt, dass sein Geld absolut sicher sei, etwa mit Bezeichnungen wie „Garantie-Zertifikat“. Dass er bei einer Pleite des Emittenten sein Geld dennoch fast vollständig verliere, sei dem unbedarften Anleger deshalb häufig nicht klar. Zudem garantiere auch ein „Garantie-Zertifikat“ häufig nicht den ganzen Einsatz des Kunden. Oft seien es nur 95 Prozent oder weniger. Denn für die Zertifikate muss der Anleger ja auch Gebühren und Ausgabeaufschläge zahlen. Und die behält die Bank in jedem Fall ein. Verbraucherschützer Mais ernüchterndes Fazit: „Seit dem Lehman-Desaster hat sich bei der Beratung eigentlich nicht viel geändert. Noch immer werden auch Anlegern, die auf absoluter Sicherheit bestehen, Zertifikate angedreht.“ Das sei insofern äußerst bedenklich, als das Risiko von Bankpleiten und damit des Ausfalls von Zertifikate-Emittenten seit der Zypern-Krise wieder zugenommen habe. Tatsächlich sind Zertifikate noch immer ein boomendes Geschäft. Fast alle namhaften deutschen und ausländischen Banken geben diese aus. Zwar gab es nach der Lehman-Pleite einen deutlichen Einbruch bei den Volumina, weil viele Anleger ihre Papiere zurückgaben und kaum mehr neue gekauft wurden. Doch mittlerweile scheinen viele Anleger den Lehman-Schock vergessen zu haben – mit der Folge, dass wieder deutlich mehr Zertifikate gekauft werden. Aktuell beträgt das Volumen des Zertifikatemarktes in Deutschland knapp 100 Milliarden Euro. Laut dem für die Branche zuständigen Deutschen Derivate Verband werden diese Papiere fast nur von Privatanlegern gehalten. Damit hat jeder Bundesbürger statistisch gesehen rund 1 200 Euro in Zertifikaten angelegt. Gut zwei Drittel davon sind Zertifikate, die mindestens den Werterhalt versprechen. Daran lässt sich ablesen, dass den meisten Zertifikate-Besitzern vor allem Sicherheit wichtig ist.

Zertifikate haben die Eigenschaft, dass sie immer nur die Entwicklung anderer Finanzprodukte abbilden. In ihrer einfachsten Form bilden sie zum Beispiel die Entwicklung des Deutschen Aktienindex (Dax) nach. Die Emittenten der Zertifikate werben häufig damit, dass der Anleger mit nur einem Papier an der gesamten Entwicklung des Dax partizipieren kann. Ähnlich funktionieren aber auch sogenannte börsengehandelte Indexfonds. Ihr großer Vorteil: Geht der Emittent Pleite, verliert der Anleger sein Geld trotzdem nicht, denn ETF gelten wie auch gemanagte Investmentfonds-Anteile als Sondervermögen, das auch im Insolvenzfall des Emittenten weiterhin den Anlegern gehört.

Bei Zertifikaten ist das aber nicht der Fall, sie sind kein Sondervermögen. Geht der Emittent Pleite, bekommt der Anleger allenfalls noch einen Anteil an der Konkursmasse.