Wohnen Wohnen: Die Türklinke als Ausdruck des Lebensstils

Bremen/dpa. - Fast jeder Lebensbereich ist inzwischen durchgestylt. Die Namenszüge der besten Designer schmücken Brillen und Bäder ebenso wie Teppiche oder Computer. Und sogar die Türklinke - oft genutzt, meist kaum beachtet - ist ein Objekt meisterlicher Gestaltungskraft: Philippe Starck, Jasper Morrison, Matteo Thun und sogar der Bauhaus-Begründer Walter Gropius haben Modelle entworfen. Jenseits des gehobenen Designs können Klinken aber auch einfach nur als Ausdruck von Lebensfreude stehen: beispielsweise wenn sie als Banane daherkommen oder in ihrem Inneren Gummibärchen beherbergen.
Fast eine Design-Ikone des 20. Jahrhunderts ist der so genannte Gropius-Drücker - 1922 entworfen von Walter Gropius unter Beteiligung von Adolf Meyer. Die Form der Klinke ist auf einen rechtwinklig geknickten Vierkantstab und eine sich daran anschließende zylindrische Griffrolle reduziert. «Heute wird dieser Drücker in leicht veränderter Form in zahlreichen Varianten produziert», sagt Andreas Meyer, Geschäftsführer des Unternehmens Tecnoline in Bremen. Gleichwohl besitzt die Rechte für den Nachguss der Originalklinke nur Tecnoline.
Der französische Designer Philippe Starck hat ein Modell mit runder Scheibe als Beschlag entworfen - die Klinke erinnert an ein Tierhorn. «Betrachtet man dieses Türdrückerdesign isoliert vom Schild, so könnte man ironisierend sagen, dass Philippe Starck unsere Branche auf die Hörner nehmen wollte», heißt es im Handbuch des auf Design-Türklinken spezialisierten Herstellers Franz Schneider Brakel (FSB) aus Brakel (Nordrhein-Westfalen). «Seltsamerweise werden jedoch aus den Hörnern, wenn sie erst einmal auf dem Schild befestigt sind, funktionale Türklinken, wie man sie sich besser nicht vorstellen kann».
Assoziationen an den Flügelschlag einer Möwe vermitteln zwei Entwürfe des Dänen Erik Magnussen: Als Türöffner dient ein gefaltetes Band aus Edelstahl. Stardesigner Mattheo Thun hat sein Modell aus leuchtendem Messing gefertigt. Der Griff ist sanft geschwungen, der Beschlag in Rosettenform gestaltet. Dennoch wirkt die Klinke schlicht und sachlich.
Doch mit Türklinken lässt sich nicht nur erlesener Geschmack ausdrücken. Wer will, kann mit ihnen einfach ein wenig Spaß und Übermut in den Alltag bringen. So gibt es beispielsweise Türgriffe in Form von Kunststoff-Obst und -Gemüse oder in Form von Tierfiguren. Bis hin zu gefüllten Plexiglas-Drückern reiche das Angebot, sagt Alfred Albers, Mitinhaber des Beschlaghauses am Wall in Bremen. Türgriffe mit naiven Tierdarstellungen werden seiner Erfahrung nach oft fürs Kinderzimmer gekauft. «Aber auch Menschen, die jung geblieben sind, erfreuen sich an ihrem Aussehen», sagt Albers.
«Türgriffe aus Plexiglas können mit Gummibärchen, Buchstaben, Stacheldraht, Muscheln, Nudeln, Chilis oder Pfefferkörnern gefüllt werden», sagt Kai Kröger vom Hersteller «Ausgeklingt» in Hamburg. Entscheidend für die Befüllung ist laut Kröger ausschließlich der Geschmack der Bewohner. Für die Badezimmertür werde beispielsweise gern ein Plexiglasgriff gewählt, der mit Wasser gefüllt ist. Griffe in Form von Kunststoffobst wie Bananen, Peperoni, Zucchini und Tomaten seien besonders für Küchen beliebt. Haben die Bewohner sich an Nudeln, Chilis und Tomaten satt gesehen, können die Klinken einfach neu befüllt werden.
Doch Spaß-Modelle sind nicht jedermanns Geschmack. Wer in einem denkmalgeschützten Altbau wohnt, möchte meist den Stil des Hauses bewahren. Um an einen historischen Beschlag zu kommen, muss ein Klinken-Fan aber nicht - wie im Februar in Göttingen geschehen - alte Drückergarnituren von Kirchentüren entwenden. Angeboten werden Türklinken vergangener Epochen von Händlern, die auf historische Baustoffe spezialisiert sind.
«Historische Klinken dienen meist zur Restaurierung alter, oft denkmalgeschützer Häuser», sagt Christoph Freudenberger, Verbandsgeschäftsführer des Unternehmerverbandes Historische Baustoffe in St. Georgen im Schwarzwald. In den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren seien in vielen Häusern die ursprünglichen Beschläge ausgebaut und durch moderne Industrieware ersetzt worden. «Ein Fehler, der heute bereut wird», so Freudenberger. Aber auch als Ersatz für beschädigte Originalklinken werden alte Drücker gesucht. Liebhaber eines historischen Stil verwenden alte Türklinken sogar in Neubauten. Dann allerdings werde meist eine zur Klinke passende historische Tür gleich miterworben, sagt Freudenberger.
