Wie werde ich...? Wie werde ich...?: Die «Perle am Empfang» wird oft unterschätzt

Bremen/dpa. - Der Personalberater aus Wentorf beiHamburg hatte die Stellenanzeige für eine Steuerprüferkanzleiaufgegeben und die «etwas altmodische» Funktionsbezeichnung sehrbewusst gewählt: «Wir wollten uns von den kühlen Hightech-Formulierungen absetzen und gleichzeitig unseren Anspruchdeutlich machen: Es geht um die Visitenkarte des Unternehmens.»
Breit ist die Palette der Begrifflichkeiten, die den Arbeitsplatzganz vorne im Büro umschreiben. Neben Anglizismen wie «Front OfficeManager» oder «Facilities Assistant» stehen deutschsprachige Titelwie Empfangskraft, hinter vorgehaltener Hand auch malVorzimmerdrachen genannt. Für Verwirrung sorgt die BezeichnungEmpfangssekretär: Dabei handelt es sich um einen früherenAusbildungsberuf in der DDR: Die Sekretäre empfingen und betreutendie Gäste in Hotels und Gaststätten.
«Der Titel ist egal», meint Helmut Winter, Geschäftsführer derOffice Management GmbH in Bremen. «Es kommt darauf an, was derEmpfangsmitarbeiter am Ende in der Lohntüte hat.» Die Bezahlung machedeutlich, ob es sich um rein repräsentative Funktionen oder auchadministrative Aufgabenstellungen handelt. Was die Vermischung mitdem Vorzimmer betrifft, ist der Betreiber des Karriere-Portalssekretaerin.de allerdings skeptisch: «Eine Chefsekretärin wird nichtam Empfang sitzen wollen, die managt das Büro.»
Genau diese Kombination aus Chefsekretariat und Repräsentationsuchte Berater Debusmann aber: «Gerade in kleineren Betrieben kommtam Empfang alles zusammen: Telefonanrufe, Terminplanung und der erstedirekte Kontakt zum Kunden.» Das verlange Pfiff, Mitdenken undEigeninitiative, wie auch im Anzeigenbegleittext nachzulesen war.Dabei sei die Kanzlei mit insgesamt 16 Mitarbeitern keinAusnahmefall: «Die Suche nach versierten Empfangsmitarbeitern gehörtzu den Top Ten aller Aufträge.» Die Geschäftspartner hätten gemerkt,dass sie mit wechselndem Personal aus der Zeitarbeit nicht weiterkommen. «Die Kunden verlangen nach Stabilität am Telefon und impersönlichen Kontakt.»
«Ich bin die erste Anlaufstelle für Anrufe, Mails, Post undgelegentlich auch Besucher», sagt Stephanie Waligura. Die «FrontOffice Managerin» vertritt den Berufsverband Sekretariat undBüromanagement bSb in Bremen nach innen und außen. Vor ihrerMutterschaft war die ausgebildete Rechtsanwalts- und Notargehilfin imBundesverband als Projektleiterin für die Aus- und Weiterbildungtätig.
Im Vergleich dazu sei ihre neue Aufgabe umfangreicher undmindestens ebenso anspruchsvoll: «Ich bin die Allroundkraft, muss vonallem ein wenig wissen und auch mit Problemfällen am Telefon fertigwerden.» Ein idealer Job für eine junge Mutter, meint Waligura: «Wennich hier mittags rausgehe, habe ich eine Menge abgearbeitet und denKopf frei für mein Kind. In meinem früheren Job konnte ich vielschlechter abschalten.»
Als eine Chance für Wiedereinsteigerinnen nach der Familienphasesieht auch Ingrid Kohn aus Erbach bei Ulm den Job am Empfang.Allerdings wird aus Sicht der Trainerin für Büro und Kommunikationder Beruf immer noch unterschätzt: Die Empfangsmitarbeiter prägtenden ersten Eindruck von der Firma. Das gelte sowohl für die Kollegen,die morgens ins Büro kommen, als auch für alle Kunden: «StrahlendeAugen, direkter Blickkontakt und das Lächeln am Telefon bleibendauerhaft positiv in der Erinnerung. Aber so simple Dinge werdenimmer noch vernachlässigt.»
Dabei müsse die Dame oder der Herr am Empfang keinesfalls einModel sein, meint Kohn: «Gute Umgangsformen, erstklassiges Auftretenund ein gepflegtes Äußeres sind wichtiger als Aussehen.»Allerdingssuche man männliche Mitarbeiter auf diesem Posten meist vergeblich:«Die Bezahlung ist schlecht. Dazu gibt sich kaum ein Mann her.»
(Internet: www.bsb-office.de; www.sekretaria.de)
INFO-KASTEN: Was Empfangskräfte verdienen
Ostdeutsche Empfangskräfte verdienen rund 26 000 Euro im Jahr. Inwestdeutschen Ballungsgebieten sei der Jahresverdienst um 10 000 Eurohöher, sagt Christian Näser, Mitglied der Geschäftsleitung derKienbaum Management Consultants GmbH in Gummersbach. Damit verdienteine Empfangskraft in Ostdeutschland nur gut halb so viel wie eineChefsekretärin, wie in der Kienbaum-Studie zur Vergütung vonSekretariats- und Bürokräften nachzulesen ist.
Die am besten bezahlte Vorstandssekretärin bezieht immer noch 30000 Euro mehr Jahresgehalt als die westdeutsche Mitarbeiterin amEmpfang. Dennoch sei die Wertschätzung der Empfangsmitarbeitergestiegen, sagt Näser: «Sprachkenntnisse und dieVisitenkartenfunktion werden wichtiger.» Auch dadurch werde der Berufnoch weiter aufgewertet.