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Variationen Variationen: Einfach gut: das Butterbrot

Von Roland Mischke 23.09.2005, 16:31

Halle/MZ. - Da gibt es "Arme Ritter" mit Schokosirup oder ein Eibrot mit Lauchzwiebeln, Salami und Sauregurkenfächern zum Frühstück. Als Pausenbrot erscheint es mit Ruccola und Entenbraten auf Weißbrot oder fleischlos als Graubrot mit vegetabiler Paste und Sojasprossen. Zum Abendbrot gibt es schließlich Körnerbrot mit Avocadoscheiben oder Thunfisch, von Grünzeug dekoriert, ein Vollkornbrot mit Edelpilzkäse und Birnen, ein Schwarzbrot mit Krabben und Speck, ein Pumpernickel mit Reibekuchen und Lachs oder ein getoastetes Weißbrot mit Petersilien-Anchovis.

Die Varianten-Vielfalt ist enorm. Als Klassiker gelten das Leberwurstbrot mit Sauerkraut, das Roggensauerbrot mit Mettwurst, darauf Schnitze aus grüner Paprika, das Weißbrot mit Roastbeef und Honigzwiebelknoblauch oder das Schwarzbrot mit Allgäuer Emmentaler und Rübenkraut. Aber auch das ist nur ein kleiner Teil des Möglichen.

Der große Vorteil ist, dass jede geschmierte Schnitte - auch Stulle, Bemme oder Bütterken genannt - selbstverständlich frisch ist und garantiert einmalig. Zudem kann das belegte Butterbrot überall verdrückt werden, im Stehen, Gehen, Sitzen oder Herumlümmeln, vor dem Fernseher, beim Lesen, zur Stärkung oder zum Trost nach einer gescheiterten Beziehung (Rückkehr zum Beständigen) und im stressigen Berufsalltag.

Auch in Hollywoodproduktionen wie in "E-Mail für dich" mit Tom Hanks oder in der beliebten Vorabendserie "Friends" spielen Sandwich-Läden Statistenrollen. In immer mehr europäischen Städten und in Amerika eröffnen Shops ihre Türen, die belegte Brote verkaufen. Milliarden davon werden jeden Tag auf der Welt verzehrt, ob als Frühstück, schneller Lunch oder einfaches Abendessen. Diese Shops entsprechen der "To-go"-Mentalität unserer Zeit. Dazu werden Kaffee, Tee oder Softgetränke angeboten, in Restaurants kann man sein belegtes Butterbrot auch mit Bier oder Wein zu sich nehmen. Ehrlich, praktisch, gut.

Und auch, wenn das Butterbrot eine deutsche Erfindung ist - das Brot ist es nicht. Ötzi verzehrte sein Steak noch mit rohem Getreide, doch die alten Ägypter, Juden und Griechen kannten bereits Brot - ohne Butter. In allen Ackerbau-Kulturen der Welt spielt es eine große Rolle, gilt als heilig und wird in vielen Ländern bis heute, meist zusammen mit Salz, als Zeichen der Gastfreundschaft oder bei Hochzeiten als Symbol für die Verbindung von Ehe und Familie überreicht.

Jahrhunderte lang war das Brot trocken, es wurde allenfalls in Biersuppe getunkt. Erst im Hochmittelalter, nach gelungener Salzkonservierung, konnte aus Milch haltbare Butter hergestellt werden als unersetzlicher Aufstrich. Das Butterbrot avancierte zur Lieblingsspeise von Bauern und Bürgern, auch der Finanzadel biss gern hinein. Älteste urkundliche Erwähnungen stammen aus dem Bremer "Krameramt" und bezeugen für 1339, dass "Botter unde Texter kese" bei festlichen Mahlzeiten ein Gang waren. Martin Luther erwähnt in einem Brief die "Butterpomme" und der Holländer Pieter Brueghel pinselte auf seiner "Bauernhochzeit" von 1568 einem Kind ein angebissenes Butterbrot in den Schoss. Im 19. Jahrhundert setzte sich Streichbutter durch, das Butterbrot wurde absolut mehrheitsfähig. Eltern und Kinder saßen im Biedermeier zum Abendbrot um den Tisch und schnabulierten belegte Brote.

Das Abendbrot ist inzwischen etwas außer Mode gekommen, aber das Butterbrot mit Biokost oder Deftigem ist nach wie vor bei der Mehrheit der Mitteleuropäer im Einsatz. Den Engländern verdanken wir die Weiterentwicklung zum Sandwich: ursprünglich zwei Toastbrotscheiben mit einer Füllung aus Hühnchen, Sprossen und Mayonnaise. Zurück geht es auf den spielsüchtigen Earl of Sandwich, der im 18. Jahrhundert keine Lust mehr hatte, zu Mahlzeiten seinen Kartentisch zu verlassen. Also verdonnerte er sein Personal dazu, kalten Braten zwischen zwei Weißbrotscheiben zu quetschen, so dass er sich nebenher ernähren konnte.

Das amerikanische Sandwich ist die Fortentwicklung, nur mächtiger, mit Pastrami, Sauerkraut, Gurke und viel Fleisch. In Frankreich wurde aus dem Butterbrot die ellenlange, knusprige Baguette der Gallier, meist mit Salami oder Schinken belegt. Die Italiener haben das Tramezzini daraus gemacht, zwei Toastscheiben, innen angefeuchtet, vorwiegend cremig gefüllt, etwa mit Avocadocreme, als Bruschetta-Tomaten-Olivenbrot oder als Nuss-Pesto-Variante. Auch Bagel, schwerer Hefeteig, und Wrap, hauchdünnes Fladenbrot, sind als neuere Kreationen Variationen des Butterbrots.

Doch nichts geht über den Klassiker! Die urtypische deutsche Klappstulle ist die hohe Schule des guten Geschmacks. Erstens weil Butter drauf gehört, nicht schleimige Mayonnaise oder geschmacksneutrale Margarine. Zweitens, weil danach alles möglich ist. Vorwiegend jüngere Gourmands schmieren Leberwurst aufs Brot, pappen darauf Nutella, darüber eine Bananenhälfte und über das Ganze wird Maggi geträufelt!

Und die Psychologie? Das Butterbrot ist nicht nur Hungerstiller, sondern auch Nervennahrung. Es zu mampfen heißt Geborgenheit empfinden und das bringt den glücklichen Teil der Kindheit wieder hoch. Als Schnittchen ist die Klappstulle gesellschaftsfähig, als Canapé wirkt sie bei Stehempfängen stilsicher. Für Singles und Familien ist das Butterbrot praktisch. Nur logisch, dass es einen Tag des deutschen Butterbrots gibt.