1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Udo Hilfers päppelt verletzte Störche auf

Udo Hilfers päppelt verletzte Störche auf

Von Stephanie Lettgen 15.07.2008, 09:16

Berne/dpa. - Wenn sich ein Storch verletzt, ist er damit oft zum Tode verurteilt. Der Tierfreund Udo Hilfers hat im niedersächsischen Berne eine Station aufgebaut, in der angeschlagene Tiere ein Heim finden - rund 60 Störche wohnen mittlerweile in dem Freigehege.

Mit Heu im Schnabel kehrt die Storchenmutter zu ihren drei Jungen im Horst zurück. Sie will das vom Nieselregen matschig gewordene Nest neu auspolstern. Doch das Heim der Vogel-Familie befindet sich nicht wie üblich auf einem Baum, Dach oder Mast, sondern nur wenige Zentimeter über der Erde. Denn die Eltern sind gehandicapt: Die Mutter hat nur einen Flügel, der Vater einen verformten Schnabel. «In der freien Wildbahn würden sie nicht überleben», erklärt Udo Hilfers. Er hat die beiden Vögel in seiner Storchenpflegestation in Berne im Süden der Wesermarsch aufgenommen.

Insgesamt leben in dem großen Freigehege neben dem Wohnhaus der Hilfers rund 60 Tiere. Etwa ein Drittel von ihnen hat sich beim Flug gegen eine Hochspannungsleitung oder ein Auto so stark verletzt, dass die Dauerpatienten bis zu ihrem Lebensende bleiben müssen. Gemeinsam mit Ehefrau Anke und den zwei Kindern kümmert sich Hilfers ehrenamtlich um die Tiere. Seine gesamte Freizeit investiert der 51-Jährige, der in der Automobilindustrie arbeitet, dafür. Urlaub hat die Familie seit vielen Jahren nicht mehr gemacht. «Es steht das Wohl der Tiere an erster Stelle», sagt der Vogelkundler und zeigt in die Wipfel der zahlreichen Pappeln und Ahornbäume neben seinem Haus.

Dort nisten rund 50 gesunde Paare. Sie haben sich angesiedelt, weil Weißstörche gerne gesellig leben und in den Marschwiesen Futter finden. «Die Station ist mit der Baumbrutkolonie einzigartig in Deutschland», meint Hilfers. «Viele Störche kommen jedes Jahr wieder.» In diesem Moment fliegt ein Storch vorbei und aus mehreren Nestern ertönt ein lautes, aufgeregtes Klappern. «Den mögen sie nicht so, denn Konkurrenten erkennen sie sofort», erklärt der 51-Jährige lachend.

16 Jahre ist es her, dass er die Pflegestation gründete. «Wir müssen unbedingt was machen», dachte sich Hilfers damals, weil gerade noch sechs Brutpaare die Wesermarsch besiedelten. 1940 waren es noch fast 200 Paare. Vor fast zwei Jahren gründete Hilfers dann den Verein «Storchenpflegestation Wesermarsch e.V.», den inzwischen mehr als 200 Mitglieder aus dem gesamten Bundesgebiet finanziell mit einem kleinen Beitrag unterstützen. Auch das Land Niedersachsen und Sponsoren geben Geld für die Storchenpflege, den Rest bezahlt Familie Hilfers aus eigenen Mitteln.

Verletzte Störche einfangen, zum Tierarzt bringen, füttern, mit einem Erkennungsring versehen, die Horste säubern - die Liste der Aufgaben von Udo Hilfers ist lang. «Mittlerweile hat die Arbeit für die Station so einen Umfang angenommen, dass das ehrenamtlich kaum noch zu bewältigen ist.» Doch Aufgeben käme für ihn nicht infrage, dafür ist die Begeisterung für die als Glücks- oder Kinderbote bekannten Störche einfach zu groß. Das Sozialverhalten der Tiere, ihre Art Nester zu bauen, ihre Ausdauer auf dem bis zu 10 000 Kilometer langen Flug in die Winterquartiere - Hilfers gerät ins Schwärmen, wenn er über «Meister Adebar» redet.

Die Arbeit seiner Familie hat dazu beigetragen, dass es in der Wesermarsch inzwischen wieder 80 Storchenpaare gibt. Die Station ist zu einer Touristenattraktion geworden. Zahlreiche Kindergärten, Schulklassen oder Reisegruppen kommen zu dem Gehege. Doch die Besucher dürfen die Tiere nur mit genügend Abstand beobachten. «Das sind keine Kuscheltiere», betont Hilfers. Die Störche dürften sich nicht zu sehr an Menschen gewöhnen. Viele Besucher haben sich in einem Gästebuch verewigt. Ein Urlauber aus den USA schreibt begeistert über Hilfers: «Mir war zumute, als ob ich den "Barmherzigen Samariter" der Störche gefunden hätte.»

Informationen zur Station: www.storchenstation.de