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Trend im Wohnzimmer Trend im Wohnzimmer: Sitzsack statt Sofa

Von Heike Edelmann 24.08.2004, 15:45

Karlsruhe/dpa. - Das jugendliche Lieblingsmöbel der Sixties erlebt derzeit ein Revival: Der Sitzsack, gefüllt mit Abertausenden von Polystyrol-Kügelchen und einer Hülle aus Leder, Stoff oder Kunstleder, hat es zurück in die Wohnzimmer geschafft.

Im Schlepptau brachte der trendige Sack eine weitere Mode mit - das bodennahe Sitzen auf speziellen Kissen, niedrigen Hockern und flachen Bodenmöbeln.

«Der Fußboden ist wieder ins Blickfeld der Designer gerückt», sagt Volker Albus, Professor an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. «Die Flower-Power-Jahre hatten eine fortschreitende Entkrampfung unserer Wohnkultur zur Folge. Heute geht es aber um ausladende Bequemlichkeit und eine Ausweitung unserer Vorstellungen, wie Entspannung erlebt werden kann.» Dabei gehe es nicht nur um körperliche Entspannung, sondern auch darum, sich bestimmten Verhaltensvorschriften zu entziehen.

Laut Albus haben die neuen bodennahen Möbel wenig gemein mit den Matratzenlagern der Wohngemeinschaften. Die damalige politische Motivation, die nach Egalisierung der Lebensverhältnisse auf niedrigem Niveau strebte, fehle völlig - vielmehr werden die komfortabelsten bodennahen Sitzgelegenheiten heute von den Luxusmarken angeboten. «Für die italienische Firma Edra entwarf Karim Rashid seine mit Styroporkugeln gefüllten Superblobs, riesige Kissenelemente, deren Oberfläche sich nahezu jeder Körperposition anpasst», führt der Design-Experte ein Beispiel an.

Den Begriff «Grounding» hat Peter Wippermann, Geschäftsführer des Trendbüros Hamburg, für die Wiederentdeckung des Bodens geprägt. Es gelte wieder Boden unter den Füßen zu spüren. «Als Gegenreaktion auf die moderne Ortslosigkeit zählt alles, was den Körper der Erde nähert und ihn so zum Halten bringt: bodennahes Sitzen, das Comeback der Sitzkissen und hochflorige Wollteppiche», so Wippermann. In Zeiten, da jedes Etablissement zur Lounge erklärt werde, dürfe es zu Hause ruhig ein bisschen entspannter sein.

Darüber hinaus spielen internationale Vorbilder eine Rolle beim bodennahen Sitzen und Wohnen. «Der globale Wettbewerb geht mit großen Schritten voran und wird dazu führen, dass auch wir in Europa immer mehr asiatische Elemente in unseren Wohn- und Einrichtungsgegenständen wiederfinden», sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) in Bad Honnef.

Von Einflüssen außerhalb des europäischen Kulturraums spricht auch der französische Designer Pascal Mourgue, der die Kollektion «Tazia» für das Unternehmen Ligne Roset aus Gundelfingen (Baden-Württemberg) entworfen hat. «Tazia ist von der nordafrikanischen Lebensart geprägt», sagt Mourgue. «In unserer multikulturellen Zeit ändern sich die Verhaltensweisen. Mein Gedanke ist: Lasst uns die Gewohnheiten ändern, beweglich sein und andere Lebensstile annehmen, die flexibel, vielseitig und gesellig sind.»

Solche Appelle schockieren heute keinen mehr. Ende der sechziger Jahre dagegen war es ein Angriff auf die bürgerlichen Ideale, als sich die Designer Piero Gatti, Cesare Paolini und Franco Teodoro den legendären Sitzsack «Sacco» für die Firma Zanotta aus Mailand einfallen ließen. Er war leicht, vielseitig einsetzbar und passte sich dem menschlichen Körper an. Heute wird das Original zwar noch hergestellt, hat aber Konkurrenz von zahllosen Nachahmern bekommen.

Eine der Marken, die die Idee des Sitzsacks eigenständig weiter entwickelt haben, ist «Fatboy» von Mondo Gusto aus Coburg. «Der Fatboy ist mehr als ein gewöhnlicher Sitzsack: Auf einer Fläche von 1,35 mal 1,80 Metern bietet er jede Menge Platz für alles, was zu Hause Spaß macht», sagt der finnische Designer Jukka Setälä, der das überdimensionale Bodenkissen entwickelt hat. Vorbei seien die Zeiten klobiger Polstergarnituren und steriler Sitzmöbel. «Heute liebt man es wieder bequem», so Setälä.

Dieser Meinung ist auch Ina Schrickel von der Firma Formstuhl aus Rieden (Bayern). «Wie der Name schon andeutet: Formstuhl stellt Sitzgelegenheiten her, die sich dem Benutzer anpassen», erklärt sie. «Junges Wohnen» nennt das Unternehmen sein preisgünstiges Angebot aus Klappmatratzen, Bodenkissen und Relax-Säcken in den Buntstiftfarben Rot, Gelb, Blau und Grün.

Noch mehr Auswahl gibt es beim «Fatboy» - hier reicht die Farbpalette von grellem Grün über Schwarz bis zu einem Camouflage-Muster. Eines haben die Formstuhl-Sitzscheiben den Sitzsack-Klassikern jedoch voraus: «Durch ihren harten Styropor-Kern können sie auch für gymnastische Übungen verwendet werden», erzählt Schrickel. Auf diese Art und Weise können sich sogar überzeugte Couch-Potatoes und «Fernsehsportler» nebenbei fit halten.