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Training für Senioren - Wer radelt, rostet nicht

Von Anita Pöhlig 11.09.2009, 14:39

Braunschweig/dpa. - Mit Bedacht lenkt Gisela Herrmann ihr Fahrrad um die Kurve, anschließend übt sie vorsichtig mit nur einer Hand am Lenker zu radeln. Dabei ist Fahrradfahren nichts Neues für die Braunschweigerin.

«Auf einem alten Herrenrad habe ich in den Kriegsjahren Radfahren gelernt», erzählt die 70-Jährige. «Jetzt hab ich das Alter, in dem man schon mal ein bisschen trainieren sollte.» Mit neun anderen Frauen und zwei Männern nimmt sie an einem kostenlosen Radfahr-Training der Braunschweiger Polizei und des Seniorenbüros der Stadt teil.

«Wir wollen älteren Menschen ein Stück Mobilität geben», sagt Egon Burschepers. Der Polizist trifft den richtigen Ton, spielerisch zeigt er den Senioren Reaktionsübungen: «Auf Pfiff fahren wir mal im Stehen», ruft er ihnen zu. Die Gruppe hat sich am Löwenwall in Braunschweig getroffen. Auf einem Schotterplatz rund um einen Obelisken drehen die Senioren ihre Runden, müssen sich gegenseitig ausweichen, einhändig fahren oder sich die Hände geben. «Wunderbar, aber wir können das nicht endlos üben, das sollen Anregungen für Ihre Freizeit sein», drängelt Burschepers, zwei Stunden dauert das Treffen und da will er noch einiges unterbringen.

Eine Woche zuvor hatte er mit den Kursteilnehmers bereits über Verkehrsschilder und Fahrradwege gesprochen. «Hier in Braunschweig gibt es etwa 350 Kilometer Radwege», sagt der Polizist. Viele Kursteilnehmer würden jedoch die «Schleichwege» gar nicht kennen, dabei könnten sie auf denn oft viel schöneren Strecken sicherer als auf einer Hauptverkehrsstraße an ihr Ziel kommen.      

Ulrich Knospe vom städtischen Seniorenbüro erinnert sich an die Anfänge der Kurse: «Anfang der 90er Jahre haben wir damit angefangen und sogar einen Preis vom Bundesfamilienministerium bekommen.» Damals habe es noch viele Frauen gegeben, die nie einen Führerschein hatten. Nach dem Tod ihrer Männer waren sie dann kaum mehr mobil.

Für Hanne Pfeffer ist das kein Problem, die 66-Jährige fährt einfach gern Fahrrad: «Mein Auto ist drei Jahre alt und hat gerade 8000 Kilometer runter.» Sie sieht es wie die gleichaltrige Gila Baedermann: «Ich fühle mich fit, aber ich möchte mich bestätigen lassen.» Die Einstellung passt zu Burschepers Erfahrungen, der auch in Schulen mit Kindern verkehrssicheres Fahrradfahren übt: «Die Kinder muss ich zügeln, die Erwachsenen motivieren.»

Als nächste Übung müssen die Senioren ihre Räder mit einem großen Schritt über eine Stange tragen, eine ähnliche Situation wie bei Treppenstufen. «Eine Hand muss immer am Lenker liegen, sonst dreht er sich und schon hat man ihn im Gesicht», warnt der Polizist. Nun heißt es durch einen Bogen zu fahren: «Kopf runter, stellen sich vor, es hängt ein Ast über dem Weg», ruft Burschepers einer Radlerin hinterher. Ruth Hoffrichter streikt bei einigen Übungen: «Ich habe zwei Hüftprothesen und eine Herz-OP hinter mir, da kann ich mir keinen Sturz leisten», sagt die 78-Jährige. Im Alltag ist das Rad aber dennoch ihr ständiger Begleiter: «Ich fahre fast jeden Tag, zum Einkaufen, auf den Friedhof und auch mal ins Grüne», berichtet sie.

Neben praktischen Übungen bekommen die Teilnehmer auch Tipps für den richtigen Fahrradkauf. «Der Einstieg sollte tief sein, das Rad sollte nicht viel wiegen, einen Rücktritt haben, der Lenker sollte aufrechtes Sitzen ermöglichen und die Federung sollte gut sein», rät Burschepers. Für eine Teilnehmerin spielen diese Tipps allerdings keine Rolle. Ihr Drahtesel stammt noch aus der Zeit vor dem Krieg. Ein Nachbar habe es ihr 1960 geschenkt, seitdem sei es täglich in Gebrauch. Ihren Namen will sie nicht nennen: «Nachher klaut mir einer doch das Rad», befürchtet sie. In der nächsten Woche will sie ebenso wie die anderen Teilnehmer die Radfahrprüfung ablegen - eine Plakette auf ihrem Oldtimer beweist, schon 1996 war sie einmal dabei.