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Tierseuche Tierseuche: Verschwinden Enten, Tauben und Gänse von der Speisekarte?

Von Wolf Günthner 03.03.2006, 13:32

Baiersbronn/dpa. - Die Zeiten ändern sich: Nach den ersten BSE-Fällen vor fünf Jahren servierte Deutschlands Spitzenkoch Harald Wohlfahrt «nur noch das, was fliegt». Nun könnte die Vogelgrippe dafür sorgen, dass Enten, Tauben und Gänse von seiner Speisekarte fliegen.

«Ich muss nicht Geflügel um jeden Preis anbieten», sagte der Drei-Sterne-Koch von der «Schwarzwaldstube» im baden-württembergischen Baiersbronn-Tonbach. Es sei aber Zufall, dass auf seiner aktuellen Speisekarte kein Geflügelgericht stehe. «Nur Gänseleber. Aber die Stopfgänse stehen sowieso immer im Stall.»

Wohlfahrt und seine Kollegen in der Spitzengastronomie haben es nicht leicht. Immer wieder verderben Tierkrankheiten den Gourmets den Appetit. Wohlfahrt hatte erst im Oktober wegen der Vogelgrippe das Menü seiner Dinnershow «Palazzo» in Stuttgart, Mannheim und Hamburg geändert und als Hauptgang anstelle von Barbarie-Entenbrust ein Tournedo vom Angus-Rind serviert. «Das ist alles nicht förderlich für uns. Aber wir müssen reagieren, denn ich möchte keine Gäste verlieren», sagte Wohlfahrt.

Diese sind sensibilisiert. «Stubenküken läuft überhaupt nicht mehr. Die Leute bremsen beim Geflügel», berichtete Martin Öxle von der Speisemeisterei in Stuttgart-Hohenheim. Der Zwei-Sterne-Koch hat am Samstag noch Taube aufgetischt. «Nur Stalltiere», wie Öxle sagte. Es werde aber sehr viel Fisch, Lamm und Rind verlangt. Die Vogelgrippe sei von seinen Gästen noch nicht thematisiert worden, erzählte Claus-Peter Lumpp vom Hotel Bareiss in Baiersbronn- Mitteltal. Beim Amuse bouche serviere er kein Geflügel mehr. «Ich habe aber Poularde, Gänseleber und Taube auf der Karte, die auch verlangt werden», sagte Lumpp. Er riet zur Besonnenheit: «Eier sind viel problematischer als Geflügel. Deshalb verwende ich kein rohes Ei mehr.»

Hans-Paul-Steiner vom Hirschen in Sulzburg (Breisgau- Hochschwarzwald) rechnet damit, dass in der nächsten Woche kein Geflügel aus Frankreich mehr ausgeführt werden darf. Zurückhaltung konnte der Zwei-Sterne-Koch noch nicht bei seinen Gästen, darunter viele aus der Schweiz und dem Elsass, feststellen. «Wir haben bis nach Weihnachten ganz normal Fasan, Rebhühner und Schnepfen serviert, aber die Wildgeflügel-Zeit ist ja schon vorbei.» Der Spitzenkoch aus dem Markgräferland ist gegen Hysterie: «Es ist nach wie vor eine Tierseuche. Wenn anständig gekocht wird, dann besteht keine Gefahr.»

Zeichen eines Umschwungs hat dagegen Jörg Sackmann erkannt. Kaninchen, Milchlamm und Kalbsschwanz seien stärker gefragt. Gäste hätten auch schon «die Ente gut durchgebraten» verlangt, berichtet der Sternekoch aus Baiersbronn-Schwarzenberg. «Wachtelsalat läuft noch immer sehr gut. Aber beim Überraschungs-Menü haben manche jetzt den Wunsch nach Fisch oder Rind geäußert, das ist neu», sagte Sackmann, der auch Stalltauben auf der Karte hat.

Werner Fuchss vom Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe in Zweiflingen (Hohenlohekreis) hat noch kein verändertes Verhalten der Gourmets bemerkt. «Viele Gäste haben Barbarie-Ente gegessen, auch Eier-Gerichte oder Täubchen», berichtete er am Sonntag. Olaf Pruckner vom «Alten Amtshaus» in Mulfingen (Hohenlohekreis) hat am Samstagabend die letzten Enten verkauft. «Ich werde kein Geflügel mehr ordern», sagte der Sternkoch. Notfalls müsse er Liebhaber von Gänsestopfleber vertrösten. Pruckner wird auch sein geplantes Geflügel-Kochbuch «auf unbestimmte Zeit» verschieben.