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„Mama, ich hab' Angst“ Terroranschläge in Paris: Wie sprechen Eltern mit ihren Kindern über die Gewalt?

„Du musst keine Angst haben.“ Darf man Kinder mit diesen Worten beruhigen? Auch wenn man sie mit dieser Aussage womöglich anlügt? Wie man mit Kindern über Terror spricht und ihnen Sicherheit vermittelt.

Von Lisa Harmann 16.11.2015, 12:25

„Mama, ich hab‘ Angst, dass die auch zu uns kommen.“ Dieser Satz meiner neunjährigen Tochter kam gestern Abend ganz unvermittelt. Kurz vor dem Einschlafen. Ich stellte mir nicht gleich hundert Fragen wie Jan Böhmermann bei Facebook, ich stellte mir besonders eine Frage: Darf ich als Mutter antworten „Du musst keine Angst haben“?

Experten raten: Eltern sollten Sicherheit vermitteln

Erziehungs-Expertin Maria Große Perdekamp rät Eltern jedenfalls dazu, Sicherheit zu vermitteln, - auch, wenn natürlich nicht garantiert sei, wie sich eine aktuelle Situation weiterentwickelt. Auf keinen Fall sollten Eltern Angst zeigen, so die Leiterin der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Schwierig genug.

„Bis hierhin hatten wir es geschafft, das Thema nicht aufzubauschen“

Auch vor Bildern solle man seine Kinder so gut wie möglich schützen. „Die emotionale Wirkung von Bildern ist einfach enorm und zum Verständnis sind sie meist nicht relevant“, sagt Große Perdekamp. Nur ist es heutzutage unmöglich, Kinder vollkommen von Bildern und Informationen fernzuhalten.

Die Anschlagsserie von Paris lag zwei Tage hinter uns. Bis hierhin hatten wir es geschafft, das Thema vor den Kindern nicht zu hoch aufzubauschen. Und das war nicht leicht, denn die Zeitungen, die TV-Programme und sämtliche sozialen Medien waren voll mit Bildern und Texten zu den schrecklichen Ereignissen. Sie bekamen Fetzen mit, aus dem Radio oder aus unseren Unterhaltungen.

Unser Tochter wollte mehr wissen

Ich habe die Informationen bewusst klein gehalten, um die Angst nicht zu groß werden zu lassen. Wir würden ihnen antworten, wenn sie fragten. Nun war es so weit. Am Sonntagabend im Schlafzimmer. Unsere Tochter wollte mehr von uns wissen und auch ihre Brüder stiegen in die Fragerei ein. Wie sollte ich ihnen erklären, was passiert war, wenn ich es selbst nicht verstand?

„Mama, kann Dir das auch passieren?“

Menschen neigen in Extremsituationen dazu, in Schwarz und Weiß zu denken. In Gut und Böse. Als im Januar die Anschläge in der Redaktion der französischen Zeitschrift Charlie Hebdo geschahen, fiel es mir leichter, es den Kindern zu erzählen. Ich erklärte: Journalisten haben Mohammed gezeichnet. Darauf waren einige Leute total sauer. Also haben sie sie erschossen. Das dürfen sie nicht. Das waren Verbrecher. „Mama, kann Dir das auch passieren“, fragten sie. „Ich zeichne doch gar keine Bilder!“ Ich musste nicht lügen.

Sie wollten uns alle treffen - das macht es kompliziert

Bei den neusten Anschlägen kann ich nicht sagen, dass die Verbrecher sich die Menschen bewusst ausgesucht haben. Sie haben wahllos in fröhliche Menschenmengen geschossen. Sie wollten nicht irgendwen treffen, sie wollten uns alle treffen. Das macht es komplizierter. Trotzdem: Ich halte nichts von Lügen.

Das Positive in den Vordergrund rücken

Ich habe den Kindern gesagt, dass etwas Schreckliches geschehen ist. Als sie fragten, ob die Bösen auch zu uns kommen, sagte ich: Die, die das gemacht haben, sind tot, die kommen nicht mehr zu uns. Und ich habe versucht, ihnen mitzugeben, wie ich mit solchen entsetzlichen Geschehen umgehe. Ich schaue in der Zeitung auf die Helfer, die sich eingesetzt haben. Auf die, die sich gekümmert haben, auf die, die jetzt näher zusammenrücken.

„Den Menschen wurde geholfen“

Das empfiehlt auch Expertin Maria Große Perdekamp, das Positive der Ereignisse stets in den Vordergrund zu rücken: Sie rät beispielsweise zu sagen: „Das ist ganz schlimm, was da passiert ist, aber es gibt viele Helfer. Ganz schnell waren Ärzte und die Polizei da, und den Menschen wurde geholfen.“ Ganz wichtig sei es, kleinen Kindern, etwa bis zum dritten Schuljahr, das Ganze stark vereinfacht - und mit gutem Ende zu erklären, um ihre Ängste zu verringern.

Fokus auf die Menschlichkeit legen

Es ist die Menschlichkeit auf die wir jetzt unseren Fokus legen sollten, sagte ich meinen Kindern. Nicht auf die schrecklichen Szenen der Gewalt, dachte ich. Denn solche Bilder kriegen unsere Kinder nicht mehr aus dem Kopf. Den Gedanken an die Menschlichkeit aber, den sollen sie sich bitte bewahren. (mit Material von dpa)