Finanzen Vor 10 Jahren: Deutschland adelt Bitcoin als „privates Geld“
Als die Welt im Herbst 2008 am Rand einer globalen Finanzkatastrophe stand, tauchte der Bitcoin als Gegenentwurf zum traditionellen Finanzsystem auf. Was ist seitdem passier?
Berlin - Am Bitcoin scheiden sich die Geister. Krypto-Millionäre wie Julian Hosp, die auf YouTube umjubelt sind, behaupten bei jeder Gelegenheit, dass jeder Mensch mit Kryptogeld reich werden könne. Kritische Stimmen wie der ehemalige Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnen dagegen immer wieder: „Der Bitcoin ist spekulativ, man kann Geld damit verlieren.“
In Deutschland denkt nach einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom trotz aller Unwägbarkeiten immerhin jeder dritte Bewohner ab 16 Jahren darüber nach, in Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether & Co zu investieren. Drei Prozent der Befragten sagen, sie hätten bereits in der Vergangenheit Kryptowerte gekauft, sechs Prozent haben das danach fest vor. Und 23 Prozent wollen es auf jeden Fall nicht ausschließen.
Finanzministerium setzte rechtlichen Rahmen
Dass ein Bitcoin-Handel hierzulande überhaupt in einem halbwegs geregelten Umfeld möglich ist, ist auch dem Bundesfinanzministerium zu verdanken. Vor zehn Jahren erkannte das Haus des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) den Bitcoin nämlich als „privates Geld“ an und legte damit auch einen rechtlichen Rahmen für die Besteuerung von Kryptogewinnen fest.
Angestoßen wurde die Grundsatzentscheidung durch eine parlamentarische Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler. Der Diplom-Betriebswirt wollte wissen, wie Bitcoin-Gewinne nach Einschätzung der Bundesregierung besteuert werden müssen. Die Antwort aus dem Bundesfinanzministerium, die vor zehn Jahren (16. August 2013) durch einen Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bekannt wurde, fiel sehr grundsätzlich aus.
„Es war damals schon eine Sensation, dass die Bundesregierung in ihrer Antwort auf meine Anfrage festgestellt hat, dass es sich beim Bitcoin um „privates Geld“ handelt“, erinnerte sich Schäffler zehn Jahre später. Bis dahin sei Bitcoin „irgendwie so etwas Merkwürdiges“ gewesen, sagte der FDP-Abgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. „Das kannte man gar nicht. Oder er wurde in die obskure Ecke gedrängt.“ Die Aussage der Bundesregierung sei damals auch weltweit beachtet worden.
Der Einordnung des Abgeordneten kann sich auch der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftler Philipp Sandner, einer der führenden Blockchain-Experten Deutschlands, anschließen: „Die Einschätzung des Ministeriums war für den Umgang mit dem Bitcoin in Deutschland sehr grundlegend.“ Sie habe sich auch über die vergangenen zehn Jahre hinweg behauptet und nie revidiert werden müssen. „Die Entscheidung machte sehr früh deutlich, wie der Bitcoin richtig einzuschätzen ist, nämlich als Rohstoff und Wertespeicher, nicht als Währung oder als Zahlungsdienst oder ähnliches. Das Bundesfinanzministerium hat damals alles richtig gemacht und das sogar noch frühzeitig“, sagt Sandner.
Steuerliche Konsequenzen
Die steuerlichen Konsequenzen der Antwort der Bundesregierung sind bis heute gültig. Nach einem Jahr Haltefrist sind Spekulationsgewinne oder Einnahmen aus Verkäufen von geschürften Kryptowerten wie Bitcoin steuerfrei. „Wer allerdings zockt und relativ schnell immer rein und raus geht, der hat auf Bitcoin-Gewinne die volle Steuerquote zu ertragen, also den persönlichen Einkommenssteuersatz“, sagt Experte Sandner. Das längere Festhalten entspreche aber ohnehin sehr stark dem Bitcoin-Geist. „Echte Bitcoin-Fans wollen einmal kaufen und für immer und ewig investiert bleiben oder ganz spät rausgehen.“
Die Entscheidung aus der Antwort des Ministeriums vor zehn Jahren steht in einer Reihe mit den Kryptoverwahrregeln, die vor dreieinhalb Jahren in Deutschland erlassen worden sind, und der sogenannten MiCA-Verordnung (Markets in Crypto Assets), die Anfang Juli 2023 auf EU-Ebene in Kraft getreten ist. All diese Regelungen fördern eher langfristige Bitcoin-Anlagen. „Das hat dazu geführt, dass Deutschland sich zu einem recht Bitcoin-freundlichen Land entwickelt hat, auch wenn vielen das gar nicht bewusst ist“, sagt Sandner.
Kurs entwickelte sich sensationell gut
Der Bitcoin-Kurs hat sich seit der wegweisenden Antwort der Bundesregierung vor zehn Jahren trotz verschiedener Rückschläge sensationell gut entwickelt. Wer im August 2013 die Summe von 4000 Euro in Bitcoin getauscht und seitdem gehalten hätte, könnte nun zehn Jahre später mehr als eine Million Euro steuerfrei zurücktauschen. Aktien konnten über diesen Zeitraum bei weitem nicht mithalten: Wer vor zehn Jahren beispielsweise dieselben 4000 Euro in Apple-Aktien gesteckt hätte, könnte sich aktuell lediglich über ein Portfolio im Wert von rund 34.000 Euro freuen. Und auf die Kursgewinne würden bei einem Verkauf außerdem eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent fällig.
Investor-Legende Warren Buffett, CEO von Berkshire Hathaway, warnt dennoch davor, auch nur einen einzigen Cent in Kryptowährungen zu stecken. Bitcoin sei ein „Zocker-Token“ und habe keinen Wert aus sich heraus, sagte der Milliardär zuletzt im US-Fernsehsender CNBC. Den Kryptomarkt verglich der 92-Jährige mit einem Roulette-Tisch und Glücksspielautomaten.
Bitcoin-Experte Sandner sieht das anders. Zwar habe zuletzt der Skandal um die Milliarden-Pleite der Kryptobörse FTX des mutmaßlichen Betrügers Sam Bankman-Fried dazu geführt, dass es auch beim Bitcoin einen „ordentlichen Crash“ gegeben habe und der Kurs auf rund 17.000 US-Dollar gesunken sei. „Inzwischen sind wir aber wieder bei rund 29.000 Dollar pro Bitcoin.“ Das liege auch daran, dass die deutschen Behörden den FTX-Skandal richtig eingeschätzt hätten. „Sie haben unterschieden zwischen einer unregulierten Firma, die durch betrügerische Machenschaften implodiert ist, und der Technologie, die sich als tragfähig bewiesen hat.“