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Unboxing Unboxing: Essen auspacken vor der Kamera als Kunstform

Von Thomas Schmitz 22.02.2015, 15:55
Nikukashi beim Auspacken eines Überraschungseis.
Nikukashi beim Auspacken eines Überraschungseis. Screenshot Youtube Lizenz

Köln - Die beiden Mikrowellen- „Calzini“-Packungen knistern, NikuKashi dreht und wendet sie, zoomt mit seiner Kamera nah an das Kleingedruckte ran und liest mit sonorer Stimme vor, wie die Zubereitung erfolgt. Erst nach zweieinhalb Minuten wird die erste Packung aufgerissen, 30 Sekunden später werden die italienischen Brötchen aus dem Aromaschuber („Ein Stück Pappe, was für ein Unsinn“) gezogen und begutachtet. Nach einem Schnitt nach viereinhalb Minuten sind die Calzini verzehrfertig – und werden wieder gedreht, gewendet, gepresst und auseinandergezogen. Erst bei Minute 6:30 beißt NikuKashi zum ersten Mal hinein. Mit vollem Mund kommentiert er den Geschmack („echt lecker“). Neuneinhalb Minuten dauert das Video. Und beim Betrachten stellt sich die Frage: Wer guckt sich so etwas an?

Die Antwort: Ziemlich viele. NikuKashi hat bei YouTube 36.000 Abonnenten, die sich seine „Food Unboxing“-Videos ansehen. Am beliebtesten ist eines, in dem er 50 Überraschungseier auspackt. 5,5-Millionen-mal wurde es aufgerufen. Das ist nichts gegen den User JunkFoodTasterDotCom, dessen 28 Minuten langes Video, in dem er 21 Überraschungseier auspackt, fast 39 Millionen Aufrufe zählt.

„Unboxing“, also das Auspacken von Gegenständen vor einer laufenden Kamera, ist ein Internet-Trend – und zwar kein kurzlebiger wie die „Ice Bucket Challenge“ vergangenen Sommer. Im Internet wird seit Jahren ausgepackt, oft wird ein Video aus dem Juni 2006, in dem ein Nokia-Handy ausgepackt wird, als Ursprung gesehen. 20 Millionen Videos findet YouTube unter dem Suchbegriff „Unboxing“, eine Milliarde Aufrufe dieser Videos verzeichnet die Plattform alleine im Jahr 2014 – das entspricht einem Anstieg von 57 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders beliebt unter Auspackern sind Spielzeug und Technikprodukte, aber auch Nahrungsmittel, Schminke und Luxusartikel. Natürlich wird das parodiert, obwohl manche der Videos schon per se wie Comedy wirken. Und auch Firmen haben den Trend entdeckt, Google und YouTube haben sogar einen Leitfaden zum „Unboxing“ herausgegeben.

Was genau Millionen Menschen daran fasziniert, anderen beim Auspacken von Dingen zuzuschauen, wird zurzeit sogar wissenschaftlich untersucht. Michael Glüer, Entwicklungspsychologe der Uni Bielefeld, befragt dazu seit Monaten Internetnutzer. Erste Ergebnisse der Studie sollen noch in diesem Jahr vorliegen.