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Statistisches Bundesamt Statistisches Bundesamt: Zahl der Geburten steigt erstmals wieder über 700.000

Von Karl Doemens 21.08.2015, 15:24
Im letzten Jahr kamen knapp fünf Prozent mehr Kinder auf die Welt als 2013.
Im letzten Jahr kamen knapp fünf Prozent mehr Kinder auf die Welt als 2013. dpa Lizenz

Berlin - Seit einiger Zeit ist der Kinderwagen fast aus dem Straßenbild verschwunden. Nun deutet sich eine Trendwende an. Erstmals seit zehn Jahren ist die Zahl der Geburten im vergangenen Jahr wieder über die Marke von 700.000 geklettert. Bundesweit kamen genau 714.966 Babys zur Welt. Das sind nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes rund 33.000 oder 4,8 Prozent mehr als 2013. „Das ist ein schönes Signal, dass in Deutschland wieder mehr Kinder geboren werden“, freut sich Familienministerin Manuela Schwesig (SPD).

Allerdings fällt das Geburtenplus nach Regionen sehr unterschiedlich aus. Während Berlin (plus 6,6 Prozent auf 37.368 Geburten) und Nordrhein-Westfalen (plus 5,9 Prozent auf 155.120) erheblichen Zuwachs in den Kreißsälen begrüßen konnten, kamen in Sachsen-Anhalt gerade einmal 17.065 Jungen und Mädchen zur Welt. Das sind nur 1,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Seit längerem schon übersteigt vor allem in den ostdeutschen Bundesländern die Zahl der Sterbefälle die der Geburten deutlich, so dass die Wohnbevölkerung dort schrumpft. Bundesweit verkleinerte sich die Kluft zwischen Geburten und Sterbefällen 2014 aber um 60.000 auf 153.000.

Für den Zuwachs bei den Geburten dürften vor allem zwei Gründe verantwortlich sein. Zum einen, erläutert Anja Conradi-Freundschuh, die Expertin des Statistischen Bundesamtes, gebe es relativ viele Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 26 und 35 Jahren: „Seit 2008 hat sich die Frauenzahl in diesem Alter stabilisiert und nimmt sogar zu, was die Geborenenzahl auf einige Jahre positiv beeinflussen könnte.“

Leichte Auswuchtung bei der Generation der um die 30-Jährigen

Tatsächlich zeigt die aktuelle Alterspyramide der Bevölkerung eine leichte Auswuchtung bei der Generation der um die 30-Jährigen. Bei den unter 20-Jährigen geht die Kopfzahl je Jahrgang aber deutlich zurück. Folglich, befürchtet Conradi-Freundschuh, werde sich die Gruppe der potenziellen Mütter nach 2020 wieder deutlich verkleinern. „Dadurch könnte ein neues Geburtentief entstehen“, heißt es bei der Wiesbadener Behörde.

Dem könnte freilich der zweite Trend einer stärkeren Zuwanderung entgegenwirken. Inwieweit die Flüchtlinge aus Syrien, Nordafrika und dem Westbalkan bereits 2014 zu dem kräftigen Geburtenanstieg beigetragen hat, vermag das Statistische Bundesamt noch nicht zu sagen. Die nach den Herkunftsländern der Eltern aufgegliederte Statistik erscheint erst in einigen Monaten. In Baden-Württemberg ist man schon etwas weiter. „Hauptursache für den positiven Trend dürfte die in den vergangenen Jahren enorm angestiegene Zuwanderung sein“, glaubt deren Experte Werner Brachat-Schwarz. Noch in den Jahren 2008 und 2009 habe die Differenz aus Zu- und Fortzügen im Ländle  lediglich 3000 oder 4000 Personen betragen. 2014 kamen 90.000 mehr als gingen. Viele der Zuwanderer seien jünger als der Durchschnitt der Bevölkerung, sagte Brachat-Schwarz. Es liege nahe, dass sich dies auch in den Geburtenzahlen niederschlage.

Ein Blick in die detaillierte Statistik des Bundesamtes für 2013 stützt die These. In jenem Jahr waren in Deutschland 682.000 Jungen und Mädchen zur Welt gekommen. Rund 82 Prozent von ihnen hatten deutsche Eltern. Mit 21.750 war die Gruppe der Babys mit einer türkischen Mutter am größten. Doch  gehen die Geburtenzahlen hier seit Jahren zurück. Auffällig viele Eltern von Neugeborenen kamen aus Polen (8700), dem Kosovo (5900), Russland (5299) und Italien (5100). Darüber hinaus fallen als Herkunftsländer der Irak (2600), Marokko (2500) und Syrien (1599 Babys) auf.

„Eine langfristig stabile Geburtenzahl setzt einen Anstieg der Geburtenrate und eine höhere Nettoneuzuwanderung voraus“, resümiert das Statistische Bundesamt. 2013 lag die Geburtenrate, also die durchschnittliche Kinderzahl je Frau, bei 1,41 Prozent. Brachat-Schwarz schätzt, dass sich die Quote aktuell in Richtung 1,45 Prozent bewegt haben dürfte. Um die Geburtenzahl bis zur Mitte des Jahrtausends bei etwa 700.000 zu halten, wäre nach Berechnungen der Wiesbadener Experten aber eine Geburtenquote von 1,6 erforderlich.