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Sex in der Antike - Einblicke in die Privatgemächer

Von Ira Kugel 19.11.2008, 12:16

Münster/dpa. - Eines kann man den alten Römern und Griechen sicherlich nicht nachsagen: dass sie besonders prüde waren. Liebe zwischen Männern, Sexorgien bei Trinkgelagen und die sogenannte «Knabenliebe», all diese Themen finden sich in der Kunst der Antike wieder.

Für das heutige Verständnis gingen Künstler, aber auch die Adelsgesellschaft, mehrere Jahrhunderte vor Christi Geburt sehr ungezwungen mit Nacktheit und Sexualität um. Tiefe, und mitunter voyeuristische Einblicke in das erotische Leben der Römer und Griechen gibt die Ausstellung «Sex in der Antike», die bis 22. Januar im Archäologischen Museum in Münster zu sehen ist.

«Die alten Griechen und der Weingenuss, das liegt nahe beieinander», scherzt Torben Schreiber, der die erwartungsvollen Besucher durch die Ausstellung führt. Und so sei es auch nicht verwunderlich, dass die Trinkgelage Einzug in die griechische Kleinkunst fanden. Schon das Geschirr für die Feste hatte erotische Züge. «Es wurden bisweilen Trinkgefäße benutzt, die die Form einer weiblichen Brust hatten», erklärt der 26-Jährige. Weil das Gefäß halbrund war, konnte es nicht abgestellt werden und musste in einem Zug ausgetrunken werden. Auf einem anderen Weingefäß ist ein Satyr, ein wolllüstiges Mensch-Tier-Wesen, zu sehen, das es mit einer Amphore treibt. Ein weiteres zeigt Männer und Frauen beim Gruppensex.

«Deshalb hat das Volk aber nicht unbedingt freizügiger gelebt», sagt Schreiber. Die Nacktheit habe eher eine stilisierende Bedeutung gehabt. Erst seit dem 8. Jahrhundert vor Christus seien Männer und natürlich auch die Götter nackt dargestellt worden, Frauen erst deutlich später. Besonders in Adelskreisen hätten bestimmte Vorstellungen und Werte vorgeherrscht, wie ein durchtrainierter Männerkörper auszusehen habe. Weil sich die Aristokraten gottgleich gefühlt haben, hätten sie sich oft nackt und mit stählernen Muskeln in der Kunst präsentiert. «Ob sie in Wahrheit tatsächlich so aussahen, sei dahin gestellt», erklärt Schreiber.

Auch in die Privatgemächer der alten Griechen gewährt die Ausstellung Einblicke. Damals habe die Frau eine eher untergeordnete Rolle gespielt, sagt Schreiber. Der Hausherr habe nicht nur mit ihr, sondern auch mit Konkubinen den Beischlaf gepflegt. Deshalb sei auf einigen Malereien auch nicht eindeutig zu erkennen, ob es sich um die Ehefrau oder die Geliebte handle. In den Schlafzimmern hätten vermutlich Öllampen gestanden, auf denen Sexualakte abgebildet waren. Sie sollten der Inspiration des Hausherren dienen.

Begeistert von der Ausstellung ist die 86-Jährige Gisela Schultz- Prange: «Ich bin überhaupt nicht überrascht und auch nicht schockiert», sagt die rüstige Rentnerin, «das hat man doch in Büchern gelesen». Wesentlich überraschter ist hingegen die 21-jährige Judith Stander. «Prüde waren die ja nicht gerade», sagt die Studentin. «Dass solche Bilder zu sehen sind, hätte ich nicht erwartet.» Nicht umsonst ist Jugendlichen unter 16 Jahren der Zutritt zur Ausstellung nur in Begleitung Erwachsener gestattet.

«Manches ist skurril und mit unserer heutigen Vorstellung nicht zu verbinden», sagt Schreiber. «Einiges ist sicher als pornografisch einzustufen.» Besonders der Umgang mit der Päderastie, der sogenannten Knabenliebe, sei problematisch. Auf einer Kanne sei zu sehen, wie sich ein bärtiger älterer Mann einem Jüngling nähere. Die Knabenliebe sei Bestandteil der griechischen Adelsethik gewesen, sagt er. Genauso wie ins Reiten oder Schießen seien die jungen Männer in die Sexualität eingeführt worden.

Die Frauen hingegen wurden in der Antike erst recht spät nackt dargestellt - und die Skandalgeschichten haben dann nicht lange auf sich warten lassen: So sei im 4. Jahrhundert vor Christus eine Figur der Aphrodite von Knidos für einen Tempel gefertigt worden, sagt Schreiber. Es werde erzählt, dass ein Mann sich so sehr in die Schönheit der Statue verliebt hatte, dass er sich über Nacht im Tempel versteckte und einschließen ließ. «Am nächsten Morgen sei ihr Bein befleckt gewesen», sagt Schreiber. «Das sind also die Skandalgeschichten, die die Antike überliefert.»