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Selbstverteidigung für Senioren mit dem Spazierstock

Von Tobias Schneider 14.01.2009, 14:29

Büren/dpa. - Herausfordernd stehen sich Anna Jastrow (79) und Herbert Müller (76) gegenüber. Energisch greifen sie zu zwei Stöcken und versuchen, sich damit gegenseitig so oft wie möglich zu treffen.

Doch das Gefecht ist zum Glück nicht echt - vielmehr machen die beiden rüstigen Rentner aus Salzkotten mit bei einem speziellen Selbstverteidigungskurs in Büren. In dem zweieinhalbstündigen Training wird Senioren gezeigt, wie sie sich bei einem Angriff mit ein paar einfachen Handgriffen und alltäglichen Gegenständen, etwa einem Spazierstock oder einem Regenschirm, wehren können. Jastrow und Müller haben gerade gelernt, wie man eine Messerattacke mit einem gezielten Schlag auf den Arm abwehrt.

Das Programm soll bundesweit für Menschen ab 50 Jahren in jeder Stadt angeboten werden, aus der Anmeldungen von mindestens 20 Teilnehmern vorliegen. Damit will der Veranstalter, die Seniorenland GmbH aus Lenting in Bayern, dem steigenden Sicherheitsbedürfnis von Senioren nachkommen. Ältere Menschen trauten sich nachts häufig nicht mehr allein auf die Straße, erklärt Seniorenland-Geschäftsführer Dominik Birgelen. Mit den Übungen wolle man den Teilnehmern das notwendige Selbstbewusstsein mitgeben. «Bei uns können sie lernen, wie man Gefahrensituationen richtig einschätzt», sagt der 34-Jährige. Auch der Spaß komme nicht zu kurz.

Diesen Spaß merkt man den Teilnehmern an diesem Tag an. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters üben sie unermüdlich, wie man einen Spazierstock richtig führt oder erkunden in Partnerarbeit den schmerzhaftesten Punkt am Hals. Nervös oder ängstlich wirkt hier niemand. Durchgeführt wird das Projekt mit dem Erlanger Kung Fu- Meister und Trainer David Dautremay, der schon seit Jahren in Süddeutschland solche Kurse für Senioren anbietet. Darin zeigt er zum Beispiel, wie ein Angreifer durch einen Griff unterhalb des Kehlkopfes abgewehrt oder wie eine Messer-Attacke abwendet werden kann.

Die Übungen seien jedoch lediglich für Notfälle gedacht, betont Dautremay. Er habe viele Anfragen von älteren Menschen bekommen, die ihm von ihrer Angst vor Übergriffen oder Anpöbeleien erzählt hätten. Daraufhin habe er das Programm entwickelt, sagt der 38-Jährige. «Ich finde es gut, wenn Senioren den Mut haben, mal etwas Außergewöhnliches zu lernen.»

Es sind Senioren wie Meinolf Stelte, Rentner aus Büren. Er habe durch eine Bekannte spontan von der Veranstaltung erfahren, berichtet der 70-Jährige. Angegriffen worden sei er selbst noch nicht. «Noch hat man Angst vor mir», sagt er augenzwinkernd. «Doch alleine im Dunkeln durch die Stadt gehen würde ich auch nicht», räumt er ein. Als älterer Mensch fühle man sich unsicherer. Der Kurs mache ihm großen Spaß, aber dass ihm die Übungen ihm Ernstfall helfen könnten, sieht er skeptisch: «Es kommt mir ein bisschen harmlos vor.»

Für Barbara (63) und Klaus Seemann (67) aus Paderborn stellt das Angebot mal etwas ganz anderes dar. In eine gefährliche Situation könne man schnell kommen, sagen die Eheleute. Die Übungen seien ein hilfreicher Denkanstoß. «Wenn ich angegriffen würde, hätte ich keine Hemmungen fest zuzuschlagen», erklärt die 63-Jährige.

Laut einer Statistik des Bundeskriminalamtes werden Menschen im Alter über 60 Jahren besonders häufig Opfer eines Handtaschenraubes, im Jahr 2007 waren es 2247. Zum Vergleich: In der Gruppe von 21 bis 59 Jahren wurden laut Statistik in diesem Jahr 1698 Frauen und Männer ihrer Tasche beraubt. Im Vorjahr waren bei den Senioren noch 2430 Menschen betroffen, in der Altersgruppe bis 60 Jahren 1698.