Rollenverhalten Rollenverhalten: Der kleine Unterschied: Jungen sind einfach anders als Mädchen

Magdeburg/München/dpa. - Dass Jungsbeim Karneval bevorzugt Piraten sind und Mädchen Prinzessinnen -geschenkt. Aber wenn die Tochter tagtäglich auf rosa Rüschenkleidbesteht und der Sohn seine Vorbilder ausschließlich bei den wildenKerlen sucht, kann das Eltern schon auf die Nerven gehen.Grundsätzlich ändern lässt sich das kaum. Väter, Mütter und Pädagogenkönnen allenfalls moderat gegensteuern.
«Die Identifikation mit dem eigenen Geschlecht ist Teil derPersönlichkeitsentwicklung», sagt Ute-Birgit Klaeger,Diplom-Psychologin aus Magdeburg. «Kinder lernen schon mit 18Monaten, dass es Männer und Frauen gibt», ergänzt Prof. Karin Flaakevon der Universität Oldenburg. «Geschlecht ist ein wichtiges Prinzip,mit dem sie ihre Umwelt entdecken», sagt die Soziologin. Dass Jungssich als kleine Männer und Mädchen sich als kleine Frauen sehen, istalso ganz normal.
Tatsächlich verhalten sich Eltern und Pädagogen Kindern gegenüberganz unterschiedlich, je nachdem, ob es um Mädchen oder Jungen geht -und das von Anfang an: «Schon im ersten Lebensjahr werden Jungen alsdas starke Geschlecht behandelt», sagt Hartmut Kasten vom Institutfür Frühpädagogik in München. «Sie bekommen weniger Fürsorglichkeit,weniger Zärtlichkeit und werden stärker motiviert, ihre Gefühle zuverdrängen.» Falsch seien deshalb typische Eltern-Reaktionen, dieJungen zu Härte gegen sich selbst bringen sollen: Ermahnungen wie«Reiß dich zusammen!» oder «Stell dich nicht so an!», sobald sieGefühle oder Schwäche zeigen.
Das ist genauso verkehrt, wie Mädchen auf die Rolle des «schwachenGeschlechts» festzulegen und sie zu rosa Kleid und Ballettunterrichtzu zwingen - auch wenn die Interessen ganz woanders liegen. Aus derRolle zu fallen, ist für Jungen allerdings oft noch schwieriger: «Ichhabe selber zwei Söhne und immer versucht, ihnen zu zeigen, dass sieauch weich sein dürfen», sagt der Hamburger Lehrer Frank Beuster.
Selbstverständlich ist das nicht: «Alles, was als weiblichverstanden wird, wird bei männlichen Jugendlichen oft als weichbekämpft», sagt Prof. Flaake. Wer Gefühle zeigt, gilt schnell als«schwul». Andererseits «weibliche» Verhaltensweisen bei Mädchen und«männliche» bei Jungen verhindern oder sogar verbieten zu wollen, istnicht realistisch, sind sich die Experten einig. Wenn Eltern an ihremFünfjährigen Macho-Allüren stören, müssen sie das aber nicht hilfloshinnehmen: «Man kann schon versuchen, gegenzusteuern, aber eben nichtbrachial», sagt Kasten. «Eltern müssen dann versuchen, Vorschläge zumachen und das Kind in die entsprechende Richtung zu fördern.»
Das kann der Tipp sein, ruhig in der Tanzgruppe zu bleiben undnicht zum Fußball zu wechseln - falls der Junge das mitmacht. Wennnicht, sollten Eltern das akzeptieren. Zum Scheitern verurteilt seiensolche Versuche aber, wenn Eltern ihren Kindern etwas vermittelnwollen, das sie selbst nicht leben, sagt Geschlechterforscherin Prof.Flaake. «Sie müssen selbst Gefühle zeigen, wenn sie möchten, dass dieKinder das tun.»
Denn Kinder lernen durch Imitation - und Eltern geben vielesunbewusst an sie weiter, gerade was das Rollenverhalten angeht. Jungsgucken sich beim Vater zum Beispiel ab, was der als Mann im Haushaltübernimmt. Was den Jungen häufig fehlt, sind allerdings Männer alsRollenvorbilder überhaupt: «Väter ziehen sich aus der Betreuung derKinder sehr schnell zurück, wenn sie merken, wie anstrengend dasist», sagt Prof. Kasten. «Auch in den Kindergärten und Grundschulenfehlen sie fast komplett. Für die Jungen gibt es kaum realeIdentifikationsfiguren.»
Ihr Rollenbild suchen sie sich deshalb im Fernsehen, im Kino, imInternet und in Computerspielen. Und das dort vermittelte Männerbildist oft eindimensional und nicht alltagstauglich: «Da zählenüberwiegend Kraft, Gewalt und Gefühlskälte als positiveEigenschaften, um fragwürdige Erfolge zu erreichen», sagt FrankBeuster. Eine solche Reduzierung von Männlichkeit hält Jungen davonab, eine reife Persönlichkeit zu entwickeln.
Was Kindern vermittelt werden sollte, sei gerade die Vielfalt imeigenen Rollenverständnis, das Ausbilden einer Persönlichkeit, dieauf ein breites Verhaltens- und Gefühlsrepertoire zurückgreifen kann:«Jungen und Mädchen sind nicht wie Schwarz und Weiß», sagt Beuster.«Je mehr Farben es auf der Palette für beide gibt, umso besser.»Viele Mädchen sind nach Beusters Einschätzung in dieser Hinsichtschon weiter. «Sie haben Frauen, die sich für sie einsetzen und ihnenMut machen, ganz traditionelle Vorstellungen von Weiblichkeit hintersich zu lassen. Jungen brauchen solche Anwälte und Förderer noch.»
SERVICE-KASTEN: Geschlechterrollen verändern sich
Die Geschlechterrollen sind im Wandel: «Was in einer Gesellschaftals männlich und was als weiblich gilt, verändert sich», sagtUte-Birgit Klaeger, Diplom-Psychologin aus Magdeburg. Vor nichteinmal 100 Jahren war es in Deutschland schließlich noch Konsens,dass Frauen nicht wählen und nicht studieren dürfen. Und ingutbürgerlichen Familien galt es als normal, dass Frauen nichtarbeiten. Auch die Erwartungen daran, wie Jungen und Mädchen sichrollengerecht zu verhalten haben, ändern sich entsprechend. Vor allemdie Frauenbewegung habe zum Wandel der Geschlechterrollenbeigetragen, sagt Prof. Hartmut Kasten vom Institut für Frühpädagogikin München. Sie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten aber nurzum Teil angenähert.