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Tierpension Tierpension: Urlaub für die Katz

Von IRIS STEIN 08.07.2011, 18:01

Halle (Saale)/MZ. - Herr Punkt hat heute kein Interesse an gutem Benehmen. Er langt einfach mal von oben zu und fährt Daniela Stordeur kräftig durch die Frisur, während die am Boden kniet und seine Toilette auf Vordermann bringt. Aber sie hat eine solche Behandlung erwartet und schüttelt nur kurz den Kopf. Herr Punkt bekommt trotzdem ein paar Leckerlis, natürlich auch sein Frühstück und frisches Wasser. Ganz hotelmäßig, denn Herr Punkt befindet sich im Urlaub.

Der stattliche Kater ist für zwei Wochen in der Kleintierpension Sissy & Lissy in Halle einquartiert. Sehr komfortabel in einem Außenkäfig auf der überdachten Terrasse. "Aber Herr Punkt", erzählt seine Chefin auf Zeit, "lebt normalerweise auf einem großem Grundstück. Da ist das hier für ihn natürlich eine Einschränkung." Daniela Stordeur tut ihr Bestes, um ihn das nicht spüren zu lassen. Genauso wenig wie die anderen Gäste, die sie an diesem Morgen versorgt. Neben Frühstück ist "Zimmerpflege" angesagt: Es wird gekehrt und das Katzenklo gereinigt. Bis zu vier Stunden dauert das, wenn die Pension mit 40 Plätzen ausgebucht ist und das wird sie ab nächster Woche sein. Den ganzen Sommer über, bis Oktober.

Die schlanke junge Herrscherin über das große Katzenrudel, zu dem sich auch noch Kaninchen und Meerschweinchen gesellen, nimmt es gelassen. Erstens führt sie die Pension inzwischen seit zehn Jahren und zweitens war sie schließlich von Beginn an vom Fach. "Ich bin gelernte Hotelfachfrau", sagt die 35-Jährige, "alles für das Wohl meiner Gäste zu tun, ist eine Selbstverständlichkeit."

Das haben andere nicht so gesehen, denn als sie die Kleintierpension einrichtete, gab keine Bank Kredit. Obwohl Daniela Stordeur die Buchführung durch ihre Ausbildung beherrschte, einen Existenzgründerlehrgang belegte, ein Tierarztpraktikum absolvierte und mit jeder Menge Eigenleistung der ganzen Familie das Pensionsgebäude auf Vordermann brachte. Die Selbstständigkeit erschien der jungen Familie optimal für ihre Situation, denn ein Jahr zuvor waren die Zwillinge Julian und Adrian zur Welt gekommen. Für Tiere hatte die junge Mutter schon immer ein Faible und so war es zu der Idee mit der Arbeit von zu Hause aus gekommen. Stordeurs wohnen direkt neben dem Pensionsgebäude.

Inzwischen kehrt und füttert und putzt die Chefin im Innenbereich. Karthäuserkater Benny "hält Reden", wie sie das Mauzen nennt, nebenbei hat sie noch ein paar freundliche Worte und Streicheleinheiten für Mister Universum. Der heißt eigentlich ganz anders, aber weil der Perserkater so wunderschön ist, hat er von Daniela Stordeur den Ehrennamen verliehen bekommen. "Ich würde ihn auch täglich kämmen", sagt sie, "aber er lässt mich nicht." Nebenan wird kräftig gefaucht, da schlichtet sie erst einmal einen Streit.

Immer mit freundlichen Worten und einem wachem Blick, ob es allen Schützlingen auch gut geht. Natürlich sind schon einmal Tiere schwer erkrankt, während die Besitzer abwesend waren. Dann geht sie mit den vierbeinigen Patienten zum Tierarzt, entscheidet im Sinne des Besitzers über die Behandlung oder ob es keine Rettung mehr gibt und ein Tier erlöst werden muss. "Aber das", sagt sie, "kommt zum Glück sehr selten vor." Einen Kater, der wegen einer akuten Erkrankung täglich an den Tropf musste, hat sie in der Zeit mit in ihre Wohnung genommen, um stets in der Nähe zu sein.

Fast das ganze Jahr über sind Tiere bei Sissy & Lissy - so hießen die ersten Katzen der Chefin - untergebracht. Manche sind auch Dauergäste. Maxi zum Beispiel, eine schwarze Schönheit, für die die Besitzer finanziell sorgen, sie aber nicht wieder abholen konnten. Oder Milena, eine Maine Coon, die zur Vermittlung bereit steht. Soly, die von Spanienurlaubern gerettet und bei ihr abgegeben wurde, ist inzwischen zum Familienmitglied geworden. "Sie ist völlig anders als unsere Stubentiger", erzählt die erfahrene Katzenfrau, "gräbt zum Beispiel Wurzeln aus, lässt sich von Regen überhaupt nicht stören und kommt dann tropfnass zurück nach Hause."

Während sie das alles erzählt, wird Käfig für Käfig blitzsauber und der Abfallsack immer schwerer. Über 1 000 Kilogramm Katzenstreu gehen in einem Quartal durch die Katzenklos, wenn die Pension voll belegt ist.

Zum Schluss ist das große Wohnzimmer dran. Dort stehen ein Schreibtisch, ein gemütliches Sofa und jede Menge Kletterbäume. An den Wänden befinden sich große Einzelboxen. In einer klettert Freddy, der derzeit jüngste Mieter, bis in die letzte Ecke und macht dabei ordentlich Getöse. Der davon offensichtlich genervte Kater Luci hat sich aus Protest unter der Couch verkrochen. Aber kaum lockt Daniela Stordeur mit sanfter Stimme, kommen alle angelaufen - nicht nur, weil es Futter gibt.