Singapur Singapur: In den Gärten der Zukunft

Halle (Saale)/MZ - Ein sehr beliebtes Thema im Zeichenunterricht der Siebzigerjahre war „So stelle ich mir unsere Stadt im Jahr 2000 vor“. Schaut man sich heute die alten Kinderzeichnungen an, erwächst der Eindruck, Singapur habe die Ideen zu all diesen komischen Fantasiegebäuden und -konstruktionen geklaut und sie Wirklichkeit werden lassen.
Da gibt es unzählige Varianten von Wolkenkratzern - hohe, schlanke Türme aus Stahl, Beton und Glas, aber auch eine Konzerthalle aus funkelnden Metallzähnen, deren Form, inspiriert von der Stinkfrucht Durian, einer überdimensionalen Käsereibe ähnelt. Zu den spektakulärsten Bauwerken gehört das 2010 eröffnete Hotel Marina Bay Sands - ein Wolkenschiff auf drei 200 Meter langen Beinen, gekrönt von einem endlosen Dachgarten mit Pool und Palmen.
Mit immer neuen Attraktionen fasziniert der reiche Stadtstaat seine Gäste, lässt seinen Wert als Wohn- und Arbeitsort fast täglich wachsen, macht sich für Investoren ständig attraktiver. Das jüngste Highlight der aufwändigen Selbstinszenierung ist das im Dezember eröffnete „Underwater World Singapore“. Der zwölf Hektar große Landschaftstierpark mit dem größten Aquarium der Welt zeigt die Lebensräume an den acht bekanntesten Flüsse der Erde. Ebenfalls nagelneu sind die einzigartigen „Gardens by the Bay“. Der weitläufige botanische Park an der Marina Bucht bereichert seit vorigem Sommer nicht nur das Freizeitangebot der tropischen Millionenmetropole. Mit seinen kühn geformten Bauten fügt er sich perfekt in die futuristische Umgebung ein und vermittelt den Eindruck einer grünen Zukunftsstadt.
Dominiert werden die „Gardens by the Bay“ von zwei riesigen, nachts beleuchteten Gewächshäusern. Ihre geschwungenen Glaskuppeln, von einer Gitterkonstruktion aus weißem Stahl gehalten, erinnern an die rundlichen Leiber von Dinosauriern oder an die Außenskelette urzeitlicher Meerestiere. Beinahe die Hälfte der investierten Milliardensumme für die ungewöhnliche Gartenstadt floss in den Bau der gläsernen Hallen, die zusammen eine Fläche von zwei Hektar überspannen. Besucher können sie in mehreren Etagen erkunden.
Das Innere der Dino-Halle „Cloud Forest“ (Wolkenwald) wird von einem 35 Meter hohen, begehbaren Berg beherrscht. Im tropischen Dickicht, das auf ihm wuchert, lassen sich unzählige Orchideen, Kannenpflanzen und Farne entdecken. Gleich am Eingang ins immergrüne Reich der feuchtwarmen Nebelwälder werden botanische Weltreisende von einem haushohen Wasserfall empfangen.
Während man sich in unseren Breiten besonders an kalten Tagen gern in Gewächshäusern aufwärmt, dient der Flower Dome, das zweite Super-Glashaus an der Marina Bay, eher zum Erfrischen. Bei Außentemperaturen von meist über 30 Grad im Schatten empfindet man in Singapur einen auf 20 Grad gekühlten Raum als „ziemlich kalt“. Bäume, Sträucher und Blumen aus der nördlichen Hemisphäre fühlen sich hier jedoch sehr wohl und gedeihen prächtig.
Ältester Bewohner ist ein tausendjähriger Olivenbaum aus Italien. Eine andere botanische Rarität ist eine 500 Jahre alte Kamelie, die für über 30 000 Dollar in China gekauft wurde. Sie stammt ursprünglich aus Japan und gelangte schon vor Jahrhunderten in das benachbarte Kaiserreich.
Der wohl schwergewichtigste Einwanderer ist ein gigantischer Baobab, ein Affenbrotbaum aus Senegal, der mehr als 34 Tonnen wiegt. Insgesamt werden in den beiden Hallen des „Gardens by the Bay“ 260 000 Pflanzen gepflegt.
Unter den gigantischen, bis zu 50 Meter hohen Kunstbäumen der „Gardens by the Bay“, den „Supertrees“, sind die Schornsteine der Kühlanlagen für die Gewächshäuser versteckt. Die von tropischen Hänge- und Kletterpflanzen bewachsenen Baumtürme lassen sich per Fahrstuhl oder Treppe erklimmen. Untereinander teils mit luftigen Fußgängerbrücken verbunden, bietet der „Hain der Superbäume“ atemberaubende Aussichten auf den Park und die Stadt.
Neben dem 32 Hektar großen Bay East und dem Bay South Garden mit 54 Hektar kommt demnächst der Bay Central Garden hinzu. Derzeit noch im Bau befindlich, wird dieser dritte Teil des Parks weitere 15 Hektar Land umfassen. Wie das gesamte Areal, wurde es Stück für Stück in Form von Sand im nahen Indonesien gekauft und östlich der Marina Bay aufgeschüttet.
